Auf unbekanntes Terrain begab man sich 1972 in Graz mit dem Start von „Elektrotechnik-Toningenieur“, dem ersten interuniversitären Studium in Österreich. Laut der Aufzeichnungen in den Archiven gab es damals ausgesprochen gute Vibes zwischen Kunstuniversität Graz und TU Graz. Die zahlreichen herausfordernden Fragen fachlicher, didaktischer und rechtlicher Natur klärten die beiden Universitäten in der gemeinsam eingerichteten Studienkommission harmonisch. Von Beginn an war die Zusammenführung von Kunst und Technik, die Verbindung von Elektrotechnik und Musiktheorie, von Signalverarbeitung und Akustik, von Audiotechnik und Klangerlebnis das Fundament des gemeinsamen Studiums von Ton und Technik.
Heute, 50 Jahre später, gibt es rund 450 Absolventinnen und Absolventen mit Diplom- oder Masterabschluss sowie etwa 260 mit Bachelorabschluss eines nach wie vor auch international außergewöhnlichen Studiums. Das „halbe Jahrhundert“ feiern beide Universitäten mit einem gemeinsamen Festakt am 27. Oktober in der Aula der TU Graz mit anschließendem Empfang und Konzert im MUMUTH der Kunstuniversität Graz.
„Elektrotechnik-Toningenieur“ ist auch zum 50-Jahr-Jubiläum keineswegs in die Jahre gekommen und nach wie vor ein echtes Alleinstellungsmerkmal sowohl für die TU Graz als auch für die Kunstuniversität Graz in ganz Europa. Die Karrierewege unserer Toningenieur*innen belegen diese erfolgreiche Verknüpfung von verschiedenen Disziplinen eindrucksvoll. Möglich ist das nur dank engagierter Lehrender, Forschender und Studierender, die ihre Interessen und Fähigkeiten in den Dienst der gemeinsamen Sache stellen und ihre Kräfte in etwas gänzlich Neuem und in visionären Ideen bündeln.“ Harald Kainz, Rektor der TU Graz unisono mit Georg Schulz, Rektor der KUG
Elektrotechnik trifft Akustik
Die Studierenden haben Lehrveranstaltungen an beiden Universitäten und können ihre zulassende Universität frei wählen. Das Bachelorstudium „Elektrotechnik-Toningenieur“ basiert auf einer breiten naturwissenschaftlichen Ausbildung im Bereich der Audiotechnik. Aufbauend auf einer mathematischen und physikalischen, sowie musiktheoretischen und musikpraktischen Grundausbildung eignen sich die Studierenden Fachwissen in Elektrotechnik, Signalverarbeitung, Akustik und Informatik an. Musikalische Expertise wird durch Gehörschulung sowie Instrumentalunterricht vertieft. Im gleichnamigen Masterstudium stehen dann die vier Vertiefungsrichtungen „Akustik und Aufnahmetechnik“, „Computermusik und Multimedia“, „Embedded Audio“ und „Signalverarbeitung und Sprachkommunikation“ zur Auswahl. Zur gemeinsamen Infrastruktur zählen Lehrstudios und akustische Messplätze der TU Graz und der Kunstuni Graz sowie speziell der “CUBE”, ein Wiedergaberaum für 3D-Raumklang an der Kunstuni.
Außergewöhnliche Berufsaussichten
Die Expertise der Grazer Elektrotechnik-Toningenieurinnen und Elektrotechnik-Toningenieure ist international gefragt. Die Ausbildung ist einzigartig in Europa, entsprechend gut sind auch die Berufsaussichten in verschiedenen Bereichen. Das reicht von der Entwicklung von Studio- sowie Live-Recording und HiFi-Geräten über Fahrzeug-, Raum- oder Bauakustik oder die Entwicklung von Hörgeräten und Speech Communication bis hin zu Sounddesign, Musikproduktion, Audioinstallationen und Live-Elektronik.
Nähere Informationen zu diesem Studienangebot gibt es auf den Seiten Bachelorstudium „Elektrotechnik - Toningenieur“ sowie Masterstudium „Elektrotechnik - Toningenieur“.
Vier beispielhafte Erfolgswege mit „Elektrotechnik-Toningenieur“
Ralf Baumgartner, geboren 1982 in Deutschland, war Musiker, leitete diverse Musikgruppen und Orchester und reiste als Tontechniker mit Bands um die halbe Welt – all das noch bevor er 2003 mit dem Studium Elektrotechnik-Toningenieur begann, das er mit einer Spezialisierung auf Akustik und Signalverarbeitung 2011 abschloss. Neben Lehraufträgen an der TH Deggendorf und der Kunstuniversität Graz, diversen Engagements als Vortragender von Seminaren und Workshops zum Thema Beschallungstechnik war er über Jahre hinweg als Ton- und Systemtechniker bei Großveranstaltungen und Konzerten tätig. Gemeinsam mit zwei Studienkollegen gründete Ralf Baumgartner im Jahr 2013 die in Graz ansässige sonible GmbH. Das Unternehmen ist international bekannt als Pionier und Marktführer bei der Entwicklung von Plug-ins mit künstlicher Intelligenz zur Audionachbearbeitung.
Elisabeth Frauscher (*1994) lebt und arbeitet als Toningenieurin und Sounddesignerin in Graz. Parallel zum Elektrotechnik-Toningenieur- Studium gestaltete sie vielfältige Projekte – von Hörspielen über akustische Reiseberichte bis zu Theaterproduktionen. 2016 begann sie, nach einem Forschungspraktikum bei sonible im technischen Support zu arbeiten. Seit 2018 arbeitet sie am Set und in der Postproduktion im Filmbereich und kreiert Foleys wie für die ORF-Dokumentationen „Unter Wölfen, Bären und Geiern“ und „Das Geheimnis der Wiese“. In ihrer 2020 am IEM abgeschlossenen Masterarbeit beschäftigte sie sich mit der Plausibilität von 3D-Audio-Aufnahmetechniken. So eröffnete sie sich den Weg in das Tonstudio Klangkulisse und zu Projekten am Schauspielhaus Graz. Der 2021 produzierte Virtual-Reality-Film „Krasnojarsk: Eine Endzeitreise in 360°“ wurde mit dem Nestroy in der Kategorie Corona-Spezialpreis ausgezeichnet.
Gerda Saiko wurde 1982 in Graz geboren und studierte von 2000 bis 2006 Elektrotechnik-Toningenieur an der TU Graz und an der Universität für darstellende Kunst und Musik. Sie absolvierte Forschungspraktika im Bereich Computermusik unter anderem an der Music Technology Group in Barcelona und am Sound and Vision Processing Laboratory in Verona. Parallel dazu war sie 2003 Gründungsmitglied des Performance-Kollektivs „Rabtaldirndln“ und ebendort bis 2021 aktiv. Von 2007 bis 2015 war Gerda Saiko im Planungsteam des interdisziplinären Kunstfestivals „steirischer herbst“ in Graz und dort ab 2012 als Dramaturgin für Musiktheater und Performance verantwortlich. In diesem Zeitraum initiierte und realisierte sie zahlreiche internationale Uraufführungen von Kompositionen, Musiktheater und Tanz und war maßgeblich an der Konzeption von regionalen Kunstprojekten in der ganzen Steiermark beteiligt. Seit Anfang 2016 ist Gerda Saiko Produktionsleiterin des Festivals für neue Musik „Wien Modern“.
Siegfried Flamisch wurde 1950 in Eltendorf im Burgenland geboren. Nach dem Beginn des Studiums der Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Graz und zeitweiser Tätigkeit als Berufsmusiker in Deutschland und der Schweiz war er 1974 einer der ersten Inskribenten des damals neu eingeführten Toningenieur-Studiums. Nach dem Abschluss des Studiums – als einer der beiden ersten Absolventen – arbeitete er 15 Jahrelang in der Entwicklungsabteilung für Ton- und Studiotechnik der Firma Siemens in Wien, wo er maßgeblich an der Entwicklung von Mischpulten, Abhörboxen und peripheren Studiogeräten beteiligt war. Nach Auflösung dieser Abteilung war er bis zu seiner Pensionierung als Lehrer an der HLA für Flugtechnik an der HTL Eisenstadt tätig, die letzten zwölf Jahre als Abteilungsvorstand der HLA für Mechatronik. Er war neben seiner beruflichen Tätigkeit auch regelmäßig als Musiker und Komponist auf rund 15 Alben zu hören. 2014 wurde von ihm das „Pinkabluesfestival“ gegründet, das bis heute alljährlich für Fans der Bluesmusik veranstaltet wird.