Gemeinschaftsprojekt
In einer gemeinsamen europäischen Anstrengung, gebündelt in der EU-Technologieplattform ALICE, die das Thema international vorantreibt, wird Logistik grundlegend neu gedacht. Synchronisierte Lieferungen, ein gemeinsames Transportnetz der bislang konkurrierenden Händler und Logistikunternehmen – kurz: ein übergreifender Blick auf Logistik- und Lieferketten-Planung und -steuerung, sollen einen raschen, effizienten, flexiblen und umweltfreundlicheren Warenaustausch gewährleisten. Die 4. Internationale Physical Internet Konferenz (IPIC) 2017, die das Institut für Technische Logistik der TU Graz im Rahmen der Konferenzreihe „Logistikwerkstatt Graz“ in die steirische Landeshauptstatt geholt hat, wird den Fachaustausch zwischen Wissenschaft und Industrie vorantreiben.Trends bewegen Logistik
Was aber macht das Thema so brisant, dass neben der Plattform ALICE auch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit), die Stadt Graz, das Land Steiermark, alle österreichischen Intralogistikhersteller und viele weitere international tätige Konzerne die Konferenz unterstützen und hochkarätige nationale und internationale Speaker dem Ruf nach Graz gefolgt sind?Sieben große gesellschaftliche Trends und Strategien legen nahe, für ein wirklich integriertes System nachhaltiger und effizienter Logistik alle Kräfte zu bündeln:
- Politik und Gesellschaft bewegen sich auf eine kohlenstoffarme, energiesparende Kreislaufwirtschaft zu. Wenn Treibstoffverbrauch und Emissionen gesenkt werden sollen, sind Verteilungszentren großer Warenhändler nur für den eigenen Zweck sowie LKW und Container, die bisweilen halb leer unterwegs sind, nicht zielführend. Das bereits abgeschlossene <link http: www.modulushca.eu _blank int-link-external external link in new>EU-Forschungsprojekt MODULUSHCA, das federführend am Institut für Technische Logistik angesiedelt war, will der steigenden CO2-Belastung im Warenverkehr mit einem genormten, modularen Behältersystem, synchronisierten Lieferungen, einem gemeinsamen Transportnetz und gemeinsam genutzten Ladekapazitäten entgegenwirken.
- Soziale Netzwerke und elektronische Marktplätze führen vermehrt zu gemeinschaftlichen Wirtschaftsformen. Im Transportwesen bedingt dies neue Geschäftsmodelle wie das des Online-Vermittlungsdienstes „Uber“, der Transporte von Personen mit gemeinsamen Wegen koordiniert. Auch im Güterverkehr ermöglichen neue elektronische Systeme, Infrastrukturen gemeinsam zu nutzen.
- Demographisch steuert Europa auf eine alternde Gesellschaft zu. Damit verändern sich Mobilitätsmuster und Arbeitsbeanspruchung. Neue Services sind auch in der Personenbeförderung gefragt und ergonomische, automatisierte Logistiksysteme müssen den Menschen unterstützen.
- Der elektronische Handel in Europa wächst unglaublich schnell. Sowohl E-Commerce-Unternehmen als auch der traditionelle Handel benötigen vermehrt Transportsysteme in Städten, um Pakete zustellen zu können. In der Logistik gewinnt damit das Thema der „Letzten Meile“ an Bedeutung, das ist der Weg von den großen außerstädtischen Verteilerzentren bis zur Empfängerin oder zum Empfänger. Gerade Graz mit seiner historischen Innenstadt ist hier eine Herausforderung, der sich die Stadtregierung auch zusehends annimmt.
- E-Commerce und kundenindividuelle Produktherstellung führen dazu, dass kleinere Sendungsgrößen häufiger werden – eine große Herausforderung für eine effiziente und nachhaltige Logistik. Die hier operierenden Kurier-Express-Paket-Dienste (KEP) wiesen beispielsweise in Österreich 2016 im Business-to-Consumer-Bereich ein 10-prozentiges Wachstum auf – der Umsatz in Deutschland betrug 18,5 Milliarden Euro. Prognosen über 2020 hinaus sehen einen ungebrochenen Trend.
- Die Integration des Transportwesens unterstützt Strategien auf europäischer Ebene. Das „Verkehrsweißbuch“ der Europäischen Kommission von 2011 sieht bis 2050 einen einheitlichen europäischen Verkehrsraum vor. Kernziele sind unter anderen, die Mobilität zu erhöhen, Haupthindernisse in Kernregionen zu beseitigen und die Abhängigkeit von Erdölimporten zu reduzieren. Das steigende Frachtaufkommen, vornehmlich auf der Straße, ist darin nur mehr durch eine Effizienzsteigerung und nicht durch eine Erhöhung der Fahrten zu bewältigen.
- Die rasante Entwicklung neuer Technologien wie Industrie 4.0, 3D Druck, Automatisierung, Robotik, Internet der Dinge oder Big Data ist die Antwort auf eine sich verändernde Welt. All dies hat weitreichende Auswirkungen auf die Logistik der Zukunft. Diese sind im „Physical Internet“ vor allem im Bereich Internet der Dinge und Big Data verortet.
Die IPIC 2017 wird einen wesentlichen Beitrag zur Realisierung des „Physical Internet“ leisten – alles bleibt in Bewegung! Ich bin gespannt auf die Ergebnisse und werde sie in einem weiteren News+Stories-Beitrag gerne teilen.
Über Christian Landschützer
Christian Landschützer studierte Montanmaschinenwesen an der Montanuniversität Leoben. Im Jahr 2000 begann er sein Doktoratsstudium am Institut für Fördertechnik und Logistiksysteme der TU Graz, das er im Jahr 2004 abschloss. Nach mehreren Forschungsaufenthalten im Ausland ist er nun mit seiner Habilitation 2016 Professor für Fördertechnik am Institut für Technische Logistik.Seine Ansätze in der Forschung sind:
- Computer aided engineering (CAE) für die Technische Logistik
- Entwicklung von Engineering-Methoden im Fach
- Förder- und Materialflusstechnik Produktentwicklung