„Metal-organic frameworks“ (MOFs) genannte poröse Kristalle bestehen aus metallischen Knotenpunkten mit organischen Molekülen als Verbindungselemente. Dank ihrer hohen Porosität besitzen MOFs eine extrem große Oberfläche: Ein Teelöffel MOFs hat die gleiche Oberfläche wie ein Fußballfeld. Diese unzähligen Poren auf kleinstem Raum bieten Platz für „Gäste“ und können beispielsweise in der Gasspeicherung oder bei der chemischen Stofftrennung als „molekulare Tore“ nützlich sein.
In MOFs schlummert aber ein viel größeres Potential, das Paolo Falcaro vom Institut für Physikalische und Theoretische Chemie der TU Graz wecken will: „MOFs entstehen durch Selbstorganisation. Wir müssen nicht viel mehr tun, als die Komponenten zu mischen, und die Kristalle wachsen von selbst. Die Anordnung und Ausrichtung der Kristalle und damit der Poren geschieht dabei zufällig. Wir können dieses Wachstum nun kontrollieren, und damit MOFs für den multifunktionalen Einsatz in der Mikroelektronik, Optik, Sensorik und Biotechnologie weiter erforschen.“
In der aktuellen Ausgabe von Nature Materials zeigen Paolo Falcaro und Masahide Takahashi von der Osaka Prefecture University in Japan gemeinsam mit australischen Kolleginnen und Kollegen der University of Adelaide, der Monash University und der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) eine Methode, MOFs auf einer vergleichsweise großen Fläche von einem Quadratzentimeter schnell und in kontrollierter Anordnung und Ausrichtung wachsen zu lassen.
Richtungsabhängige Eigenschaften
Der große Vorteil von präzise angeordneten Kristallen in MOFs sorgt bei Materialforscherinnen und -forschern für Begeisterung: In die Poren der Kristalle lassen sich funktionale Materialien einschleusen und so anisotrope, also richtungsabhängige Eigenschaften generieren. In der Nature-Publikation zeigen die Autorinnen und Autoren rund um Falcaro, wie sich die gezielt synthetisierte MOF-Folie in Verbindung mit fluoreszierender Farbe verhält: Rein durch die Drehung der Folie ist das fluoreszierende Signal entweder „ein“ oder „aus“ und es entsteht ein optisch aktiver Schalter.
Paolo Falcaro dazu: „Das hat viele denkbare Anwendungen. Ein und dasselbe Material kann durch unterschiedliche Anordnung und Ausrichtung der Kristalle unterschiedliche Eigenschaften bekommen. Das gezielte Wachstum von MOFs in dieser Größenordnung erschließt eine Reihe von vielversprechenden Möglichkeiten, die wir jetzt Schritt für Schritt erkunden werden“.
Enzyme beschützen
Ein großes Ziel von Paolo Falcaro und seinem Team an der TU Graz ist die Erschließung von MOFs für biotechnologische Anwendungen: „Wir versuchen, Enzyme, Protein oder auch DNA in den Poren der MOFs einzukapseln und ihre Aktivität gegen Temperaturschwankungen zu immunisieren. Die kristalline Struktur rund um den ‚Gast‘ in der Pore wirkt beschützend wie eine robuste Jacke. Hier wollen wir die Möglichkeiten noch genauer ausloten“, erklärt Falcaro.
Paolo Falcaro: Leuchtende Fingerabdrücke
Der im italienischen Padua geborene Paolo Falcaro befasst sich schon länger intensiv mit der Synthese, Herstellung und Anordnung von porösen kristallinen Materialien und publiziert seine Erkenntnisse in renommierten Fachjournalen. Vor zwei Jahren ist es ihm gemeinsam mit Kollegen aus Australien etwa gelungen, unsichtbare Fingerabdrücke im UV-Licht leuchten zu lassen, und zwar durch einen Tropfen Flüssigkeit mit MOF-Kristallen. Diese neue forensische Methode ist schnell und breit einsetzbar und damit eine Alternative zur bisherigen Fingerabdrucksuche.
Nach dem Studium an den Universitäten Padova und Bologna und einigen Stationen in der italienischen Wirtschaft zog es Falcaro 2009 nach Australien zur Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO). Er war zudem Gastprofessor an der Osaka Prefecture University du der Kyoto University, beide in Japan. Paolo Falcaro ist seit 1. April 2016 Universitätsprofessor für Bio-based Materials Technology an der Fakultät für Technische Chemie, Verfahrenstechnik und Biotechnologie der TU Graz.