News+Stories: Großmotoren in der Luftfahrt und Flugzeuge allgemein gelten jetzt nicht gerade als umweltfreundliche Art zu reisen. Aber es tut sich gerade viel in diesem Bereich oder?
Robert Krewinkel: Wirklich sehr viel. Die EU möchte von uns ja bis 2050 klimaneutrale Flugzeugtriebwerke, aber bis 2030 müssen die Emissionen schon mehr als halbiert werden. Und deshalb wird gerade intensiv an völlig neuen Brennstoffen geforscht - aber auch an komplett neuen Triebwerksarchitekturen. Es ist eine unglaublich spannende Zeit.
Welche Kraftstoffalternativen bieten sich denn in der Luftfahrt an?
Krewinkel: Es gibt aktuell zwei verschiedene Richtungen. Die eine sind Sustainable Aviation Fuels, also Kraftstoffe, die aus nachhaltigen Quellen gewonnen werden. Sie können mit der derzeitigen Infrastruktur verwendet werden und auch genauso wie Kerosin in bestehenden Flugzeugantrieben verbrannt werden. Es gibt auch schon Demonstratorprojekte und die Fuels werden in geringen Mengen beigemischt, aber sie sind leider wirklich teuer. Und wir sind uns noch nicht sicher, ob sie auch in ausreichender Menge produziert werden können, um Kerosin ganz zu ersetzen. Außerdem beinhalten sie immer noch Kohlenstoff. Zwar gibt es Ideen, wie dieser gefiltert und neu verwendet werden kann, aber auch das ist sehr teuer. Das heißt, mit SAFs würde das Fliegen deutlich teurer werden und wir bräuchten auch deutlich effizientere Triebwerke.
Andererseits forschen wir an völlig neuen Kraftstoffen - etwa Wasserstoff und Wasserstoffträger. Sie erfordern allerdings vollständig neue Triebwerke und es ist noch sehr viel Forschung zu erledigen, bevor das möglich ist. Die Flamme von herkömmlichen Brennstoffen ist sehr viel langsamer und kälter als eine Wasserstoffflamme, deshalb funktioniert die Verbrennung von H2 nicht ohne große Änderungen an dem Triebwerk. Und es bräuchte eine völlig neue Wasserstoff-Infrastruktur an den Flughäfen. Die Flugzeuge müssten betankt werden können und es bräuchte entsprechende Sicherheitsmaßnahmen.
Welche Ideen für neue Triebwerke werden denn aktuell verfolgt?
Krewinkel: Es gibt wirklich spannende Ideen. Wir arbeiten zum Großteil mit GE (General Electric) zusammen, die an großen Open Fan-Triebwerken arbeiten. Diese Triebwerke nutzen große, offene Rotoren ohne ein Casing, wie wir es heute kennen. Diese großen Fans sind deutlich effizienter als die „kleinen“, die man heute verwendet, das Triebwerk selber wird aber kleiner, was bedeutet, dass es ineffizienter wird. Da muss man optimieren und die richtige Bilanz finden. Und wir müssen noch erforschen, wie die neuen Fans mit dem Flugzeug selbst zusammenspielen. Es ist also noch sehr viel Grundlagenarbeit zu erledigen.
Was spricht dagegen?
Krewinkel: Subventioniert wird heute vor allem die tatsächliche Entwicklung von Triebwerken, die Grundlagenforschung allerdings deutlich weniger. Weil wir laut Zeitplan der EU ja nur noch sechs Jahre Zeit haben, um diese neuen Triebwerke zu bauen. Aber es wird in der Öffentlichkeit stark unterschätzt, wie lange die Entwicklung von neuen Triebwerken braucht. Wenn ich heute damit starte, dann dauern die Entwicklung und der notwendige Zulassungsprozess rund zehn Jahre. Erst dann dürfen Fluggesellschaften die neuen Technologien überhaupt erst integrieren. Das gilt übrigens nicht nur für so umfassende Änderungen. Auch kleine Neuentwicklungen müssen den Zulassungsprozess durchlaufen.
Natürlich sind solche Neuentwicklungen auch unheimlich kapitalintensiv. Und diese Kosten müssen die Triebwerkshersteller und Flugzeugbauer erst vorstrecken - ohne zu wissen, ob die Fluglinien die neuen Flugzeuge dann überhaupt annehmen und ob die Flughäfen entsprechend umgerüstet sein werden. Und gleichzeitig bauen Flughäfen ihre Infrastruktur nicht um, solange sie noch nicht gebraucht wird. Das ist ein schlechter Kreislauf.
Abgesehen von neuen Technologien: Die heutigen Flugzeuge sind ja bereits heute extrem effizient. Das ist ja unter anderem eine Kostenfrage. Wie viel ist da überhaupt noch machbar?
Krewinkel: Bei den derzeitigen Technologien nicht mehr sehr viel. Bei den Komponenten des Flugzeuges sind wir bereits bei aerodynamischen Wirkungsgraden von weit über 90%. Aber wir können uns andere Komponenten ansehen. Zum Beispiel die Kühlung - ein Drittel der angesaugten Luft wird heute für die Kühlung des Triebwerkes verbraucht. Da könnte noch einiges eingespart werden. Und auch ganz neue Technologien würden den Wirkungsgrad deutlich erhöhen. Gerade der Einsatz von künstlicher Intelligenz wird uns da einen großen Schritt weiterbringen.
Wird es Ihrer Meinung nach also irgendwann einmal möglich sein, ethisch vertretbar zu fliegen?
Krewinkel: Ja. Ich glaube aber, dass das Fliegen teurer werden wird. Ehrlicherweise muss sich jede und jeder aber auch überlegen, ob es wirklich notwendig ist, für ein Wochenende einen Langstreckenflug in Kauf zu nehmen. In vielen Fällen wird es sich nicht vermeiden lassen, aber wir können wesentlich bewusster werden. Aber auch wenn Flugzeuge klimaneutral fliegen können, werden in der Herstellung immer noch CO2-Emissionen anfallen.
Man muss aber auch fairerweise sagen, dass der globale Flugverkehr für 3% der weltweiten Emissionen verantwortlich ist - das ist in etwas so viel wie auch Datenzentren verursachen.
Was unterscheidet nun aber Motoren in Flugzeugen von etwa Motoren in Schiffen?
Krewinkel: Vor allem macht die Rolle des Gewichts einen großer Unterschied. Bei Schiffen oder landbasierten Anwendungen spielt das Gewicht eine nebensächliche Rolle. Schiffe werden durch die großen Motoren am Heck sogar stabilisiert. In einem Flugzeug ist das gänzlich anders. Hier fällt jedes Gramm auf und muss eine hohe Leistungsdichte haben. Deshalb verwenden wir viele exotische Materialien wie Titan, die für andere Anwendungen zu teuer wären. Zusätzlich müssen die Emissionen eines Flugzeugs wesentlich kritischer gesehen werden, weil sie ja sehr hoch in der Atmosphäre ausgestoßen werden.
Was reizt Sie selbst an dieser Forschung?
Krewinkel: Es ist einfach schön, eine Erkenntnis zu haben, die vorher noch nie jemand hatte. Unsere Systeme sind so komplex, dass man immer wieder neue Dinge entdeckt. Oder es entwickeln sich Methoden weiter und wir können neue Erkenntnisse gewinnen. Und plötzlich machen Dinge, die man vor fünf Jahren gesehen hat, einen Sinn! Dieses Wissen dann an den Studierenden weiterzugeben macht aber noch am meisten Spaß.
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Mobility & Production“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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