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Erst ein Megawatt ist stark genug

04.09.2024 | Planet research | FoE Mobility & Production | FoE Sustainable Systems

Von Falko Schoklitsch

In Zügen sind sie Standard, auf Containerschiffen noch Zukunftsmusik: Elektrische Großmotoren entwickeln sich immer weiter und kommen für zahlreiche Anwendungen zum Einsatz. Was sind ihre Vor- und Nachteile und ihre Einschränkungen?

Industrielle Wasserpumpen zählen zu den großen Elektromotoren. Bildquelle: Filipp - AdobeStock

Wer an Elektromotoren denkt, dem kommen neben Elektroautos wahrscheinlich zunächst kleine Antriebe in den Sinn, etwa für Lüfter, Kühlschränke oder Spielzeug. Im Bereich Großmotoren fallen einem in puncto Elektroantrieb wohl am ehesten Züge ein. Elektrische Großmotoren gibt es allerdings in vielen weiteren Anwendungsbereichen; sie alle haben gegenüber Verbrennern den Vorteil, dass sie bei relativ hohem Wirkungsgrad Leistung über einen recht großen Drehzahl-Drehmoment-Bereich erbringen, ohne dass ein Getriebe eingesetzt werden muss. Das wirft die Frage auf: Ließen sie sich im Sinne der Verringerung des CO2-Ausstoßes nicht noch viel breiter einsetzen? So wäre etwa ein riesiges Containerschiff mit Elektroantrieb statt Schiffsdiesel ein verlockender Gedanke. Aufgrund des derzeit dafür benötigten riesigen Stromspeichers wäre so ein Schiff aber nicht hochseetauglich. In der Binnenschifffahrt und bei Kurzstreckenfähren sieht das allerdings schon anders aus.

Aber fangen wir von vorne an: Ab wann ist ein Elektromotor ein Großmotor, was muss er für Anforderungen erfüllen, wie unterscheidet er sich von einem kleinen Motor, und wofür kann er eingesetzt werden? Antworten hierauf können Annette Mütze und Michael Hartman vom Institut für Elektrische Antriebe und Leistungselektronische Systeme der TU Graz liefern.

Leistung in der Megawatt-Gegend

„Groß ist natürlich relativ“, erklärt Annette Mütze, die bei Elektromotoren bei einigen Megawatt Leistung von einem Großmotor sprechen würde. Ähnlich sieht es Michael Hartmann, wobei er ergänzt, dass die reine Leistung eines Motors ebenfalls relativ betrachtet werden sollte. „Die Leistung eines Motors hängt von der Drehzahl und dem Drehmoment des Motors ab. Als Großmotoren würde ich jene in der Megawatt-Gegend plus ansehen. Aber das ist natürlich eine sehr subjektive Betrachtungsweise. Es gibt viele Kleinmotoren mit einer Leistung von wenigen Watt, für die ist ein Kilowatt auch schon ein Großmotor“, sagt er mit einem Lächeln.

Was die physikalische Größe betrifft, ist beim Elektroantrieb das Drehmoment der entscheidende Faktor, der die Größe bestimmt. Zusätzlich ist aber auch die Leistung von Bedeutung, da mit höherer Leistung die Spannung und/oder der Strom zunehmen, die angemessen isoliert bzw. mit entsprechenden Kupferquerschnitten geführt werden müssen. Wenn der Motor größer wird, verändert das auch die mechanischen Anforderungen, da hier wesentlich größere Massen bewegt werden.

Irgendwann sind Grenzen erreicht

Das bewirkt allerdings, dass die Motoren nicht uns Unendliche wachsen können. „Ab einer gewissen Größe werden elektrische und/oder mechanische Grenzen erreicht, und es ist für eine gegebene Anwendung sinnvoller, mehrere Motoren einzusetzen, als am Verschieben dieser Grenzen zu arbeiten“, sagt Annette Mütze und fügt hinzu, dass die größten elektrischen Maschinen nicht als Motoren, sondern als Generatoren im Einsatz sind, mit denen mechanische Energie in elektrische Energie umgewandelt wird. Was ebenfalls gegen das unendliche Wachstum von Elektromotoren spricht, sind die Anforderungen an die Ansteuerung durch die Leistungselektronik. Diese steigen mit der Bauleistung eines Motors. Michael Hartmann: „Bei großen Motoren erzeugen in der Realität unvermeidliche Abweichungen in der Ansteuerung in den Motoren aufgrund der niedrigen Impedanzen schnell recht hohe, unerwünschte Ströme. Insbesondere große Motoren benötigen daher eine gute Regelung der Motorspannung, da sonst alle möglichen unerwünschten Effekte entstehen können.“

Unabhängig dieser Grenzen bewegt sich im Bereich der elektrischen Motoren viel. Durch neue Kühl- und Herstellungstechniken sowie verbesserte Materialien haben sich die Leistungs- und Energiedichten enorm gesteigert. Und diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen. Aufgrund neuer und sich wandelnder Anwendungsfelder sind weitere Verbesserungen notwendig und befinden sich in Entwicklung. „Insbesondere hinsichtlich schneller, zuverlässiger Auslegungstechniken, weiterer Steigerung von Leistungs- und Energiedichte, Modularisierung mit dem Ziel der Flexibilisierung und damit Optimierung für verschiedene Anwendungen, sowie tiefergehende und systematischere Betrachtung von Lebenszykluskosten“, betont Annette Mütze.

Geld sparen durch Weiterentwicklung

Ein passendes Beispiel hierfür sind Pumpen in Pumpspeicherkraftwerken, die zwar viel Wasser befördern müssen, dafür aber am besten möglichst wenig Energie benötigen, um diese Art des Stromspeichers effektiver zu machen. Hier setzt sich der Umrichter basierte, drehzahlvariable Betrieb auch bei Großmaschinen immer mehr durch, wodurch weitere Optimierungen möglich sind. Auch abseits davon kommen große Elektromotoren in zahlreichen kritischen Bereichen vor, wo sie flexibel einsetzbar und mit gutem Wirkungsgrad laufen sollen. Etwa bei Tunnelbohrmaschinen oder auch zur Kühlung von Kernkraftwerken. Nicht zuletzt ist es die Industrie, wo elektrische Antriebe durchaus stark verbreitet sind, für die bessere Leistungs- und Energiedichten oder geringere Lebenszykluskosten einige Vorteile versprechen – nicht zuletzt auf Kostenseite.

Zu industriellen Anwendungsbereichen gehören unter anderem Extruder im Bereich Petrochemie, Grubenlüftungen im Bergbau, Mühlenantriebe, Förderantriebe, Kompressoren, Pumpen für Brauch- und Abwasser, Shredder für Holz und Stahl, Motoren für Kräne und Hubwerke oder Gummiknetmaschinen. Je besser der Wirkungsgrad und je kleiner die Baugröße bei gleichzeitig genügender Leistung, desto mehr profitieren die Betreiber*innen davon. Und wenn sich nicht nur die Motorentechnologie, sondern auch die Speichertechnologie weiterentwickelt, können eventuell irgendwann auch Containerschiffe mit elektrischem Antrieb auf weite Reisen geschickt werden.

Der perfekte Elektromotor

Bleibt die Frage, wie für die Expert*innen der perfekte elektrische Großmotor aussehen würde. Annette Mütze meint: „Verlustlos, ohne Geräuschentwicklung oder andere parasitäre Effekte, natürlich sehr klein gebaut – auch wenn man den Motor dann vielleicht nicht mehr als groß bezeichnen würde – und ingenieurtechnisch nicht aufgrund der Menge des in ihm verbauten Materials, sondern aufgrund der extremen Genauigkeit, mit der er hergestellt ist, beeindruckend.“ Michael Hartmann wünschte sich zusätzlich noch, dass die Leistungselektronik direkt in große Motoren integriert werden könnte, wodurch sich unangenehme Effekte zwischen den beiden Elementen, wie zum Beispiel Überspannungen an den Motorklemmen bei Verwendung eines langen Kabels, vermeiden ließen. "Dies tritt besonders schnellen Schaltvorgängen bedingt durch moderne Leistungshalbleiter auf und könnte durch die Integration von Motorinverter und Motor weitestgehend vermieden werden.“

Dieses Forschung ist in den Field of Expertise „Mobility & Production“ sowie "Sustainable Systems" verankert, zwei von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.

Mehr Forschungsnews finden Sie auf Planet research. Monatliche Updates aus der Welt der Wissenschaft an der TU Graz erhalten Sie über den Forschungsnewsletter TU Graz research monthly.

Kontakt

Annette MÜTZE
Univ.-Prof. Dr.-Ing.
TU Graz | Institut für Elektrische Antriebe und Leistungselektronische Systeme
Tel.: +43 316 873 7240
muetzenoSpam@tugraz.at

Michael HARTMANN
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.sc.ETH
TU Graz | Institut für Elektrische Antriebe und Leistungselektronische Systeme
Tel.: +43 316 873 8604
michael.hartmannnoSpam@tugraz.at