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Alternativen PV-Flächen auf der Spur

15.10.2024 | TU Graz news | Forschung | Planet research | FoE Information, Communication & Computing

Von Falko Schoklitsch

Wo ist der Platz, um in Österreich bis zum Jahr 2030 die gesetzlich vorgesehene Menge an Photovoltaik-Strom zu erzeugen? Ein Forschungsprojekt mit Beteiligung der TU Graz hat sich in der Steiermark auf die Suche nach geeigneten Flächen gemacht.

Das Potenzial von PV-Anlagen auf Gewässern wurde ebenfalls analysiert. Bildquelle: Kalyakan - Adobe Stock

Elf Terrawattstunden (TWh), so viel Strom soll im Jahr 2030 aus Photovoltaikanlagen in Österreich gewonnen werden. Das ist zumindest der Plan des Erneuerbaren Ausbau Gesetzes (EAG), das im Januar 2022 in Kraft getreten ist. Laut Angaben von Austrian Power Grid gab es mit Stand August 2024 österreichweit Anlagen mit einer Leistung von rund 7,3 Gigawatt-Peak (GWp), was, abhängig von den tatsächlichen Sonnenstunden, in etwa einem jährlichen Stromertrag von 7,3 TWh entspricht. Es ist also noch eine gewisse Lücke zu schließen, und dies lässt sich nicht allein mit Dachanlagen realisieren.

Darum hat im Projekt PV4EAG ein Konsortium bestehend aus FH Joanneum, TU Graz, FH Campus 02, dwh GmbH und Energieagentur Steiermark in Graz sowie ausgewählten Gemeinden der Bezirke Leoben, Schladming, Murtal, Fürstenfeld und Voitsberg untersucht, welche Potenziale zur Nutzung alternativer Photovoltaikflächen vorhanden sind. Gefördert wurde das Projekt von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG. Neben Hausfassaden als Alternative zu Hausdächern evaluierte das Team die PV-Potenziale von Agrarflächen, von Gewässern (Floating PV), Parkplätzen und Lärmschutzwänden. In den ausgewählten Testregionen fanden die Forschenden auf Basis der ihnen zugänglichen Daten alternative PV-Flächen für einen Energieertrag von rund 910 Gigawattstunden (GWh) jährlich, wobei mehr als die Hälfte Gebäudefassaden zuzuordnen sind. Da die untersuchten Gemeinden nur einen kleinen Teil der Gesamtfläche Österreichs ausmachen, dürfte bundesweit hier noch ein großes Potenzial schlummern.

Umwelt-, Wirtschafts- und soziale Faktoren hatten Gewicht

Besonderes Augenmerk legten die Forschenden darauf, neben dem reinen Flächenpotenzial auch ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte zu berücksichtigen. Ziel der Untersuchung war es, das Sonnenlicht in puncto Ausrichtung der Flächen optimal zu nutzen, ohne wertvolle Flächen zu versiegeln, die Natur im Allgemeinen und Schutzgebiete im Speziellen negativ zu beeinflussen oder Konflikte mit anderen Nutzansprüchen zu erzeugen. Darum hat das Team in Zusammenarbeit mit Expert*innen einzelne Kriterien ausgearbeitet und anhand ihrer relativen Bedeutung das PV-Potenzial der jeweiligen Flächen gewichtet. So war etwa die Nähe zum Stromnetz ein wichtiges Kriterium für alle potenziellen Flächen, das Thema Bodenqualität spielte hingegen bei Agrarflächen eine größere Rolle.

Die Forschenden machten also nicht einfach den Versuch, jede freie Fläche mit genügend Sonneneinstrahlung als PV-tauglich einzustufen. Und wo Acker- oder Wasserflächen einbezogen wurden, gab es ebenfalls einen Austausch mit Expert*innen, unter anderem auch bezüglich der passenden Technologie. So ermöglichen transparente PV-Module, dass genügend Sonnenlicht zu Bepflanzungen gelangt, während sie gleichzeitig vor Frost und Unwettern wie Hagel schützen. Auch bei Gewässern kann eine PV-Anlage Vorteile haben, da sie einen kühlenden Effekt auf das Wasser hat und es zu weniger Algenbildung kommt.

Jede Menge Daten

Neben diesen Aspekten, um das Flächenpotenzial passend einordnen zu können, bestand die Mammutaufgabe bei PV4EAG darin, die notwendigen Datenquellen aufzuspüren und eine Auswertungsmethode zu finden, die unter Einbeziehung der mit den Expert*innen erarbeiteten Kriterien relevante Ergebnisse liefert. Wichtig war den Forschenden, frei verfügbare und öffentliche Daten zu nutzen. Dafür griffen sie einerseits auf die vorhandenen Daten von Geoinformationsservices (GIS) wie etwa GIS Steiermark zurück, um digitale Gebäudehöhen, Geländemodelle oder Katasterdaten zu erhalten. Diese kombinierten sie mit offenen Datenquellen wie Open StreetMap und Daten zur Landnutzung sowie zur aktuellen Agrarflächennutzung. Von zentraler Bedeutung war der Solarstrahlungsdatensatz, der vom Land Kärnten zur Verfügung gestellt wurde und auf einem Raster mit einem Quadratmeter großen Zellen die Sonneneinstrahlung abbildet. Diesen ergänzte das Team mit Mittelwerten der öffentlich verfügbaren Daten des PV-Planungsdienstleisters Solargis.

Diese Datenflut galt es nach Relevanz zu bewerten, zusammenzuführen und letztendlich auch für den Projektzweck nutzbar zu machen. Besonders hier war das Programmier-Know-How an der TU Graz gefragt, wo das Institut für Geodäsie gemeinsam mit dem Institut für Softwaretechnologie und dem Unternehmenspartner dwh die Datenfusion, die semantisch passende Datenintegration sowie eine KI-Methode zur Identifikation von für PV ungeeigneten Schattenflächen umgesetzt hat. Daraus konnte das Projektteam das geografische Potenzial der identifizierten alternativen PV-Flächen herausarbeiten und jeder 1 mal 1 Meter großen Fläche unter Einbeziehung der Kriterien Gefahrenzonen, Landnutzung, Schutzgebiete und Sonneneinstrahlung eine Punktzahl für die PV-Tauglichkeit zuweisen. Für Agrarflächen und Floating PV kamen noch zusätzliche Kriterien hinzu. Für die Agrarflächen waren das: Landwirtschaftliche Nutzung und Bodenqualität. Bei Floating PV flossen noch ein: Gewässertyp, Gewässernutzung, Größe der Uferzone, Wasserstands-Schwankungen sowie Gewässertiefe. Anhand des geografischen Potenzials errechneten die Forschenden am Campus02 und der FH Joanneum in Hinblick auf die technologische Umsetzbarkeit das Energiepotenzial. Bestehende Anlagen konnten sie dabei nicht berücksichtigen, da hierzu keine Daten vorliegen und auf den Satellitenaufnahmen PV- nicht von Solarthermieanlagen zu unterscheiden sind.

Analyse für ganz Österreich theoretisch möglich

„Mit dem Projekt PV4EAG konnte das gesamte Team einen wichtigen Impuls für die Erschließung des Potenzials alternativer Flächen für Photovoltaik setzen“, sagt Franziska Hübl vom Institut für Geodäsie der TU Graz. „Unsere Analysemethode ist ein kleiner Schritt, um Entscheidungsträger dabei zu unterstützen, die Energiewende voranzutreiben. Die Bereitstellung relevanter Datensätze wäre diesbezüglich ein weiterer wichtiger Schritt. Die Methode ist mit weiteren Kriterien erweiterbar und abhängig von den verfügbaren Datensätzen auf ganz Österreich und andere Länder übertragbar.“

Diese Forschung ist im Field of Expertise „Information, Communication & Computingverankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.

Mehr Forschungsnews finden Sie auf Planet research. Monatliche Updates aus der Welt der Wissenschaft an der TU Graz erhalten Sie über den Forschungsnewsletter TU Graz research monthly.

Kontakt

Franziska HÜBL
BSc MSc
TU Graz | Institut für Geodäsie
Tel.: +43 316 873 6832
franziska.hueblnoSpam@tugraz.at

Philipp BERGLEZ
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.techn.
TU Graz | Institut für Geodäsie
Tel.: +43 316 873 6830
pbergleznoSpam@tugraz.at