Bereits seit mehreren Jahren forscht die TU Graz an autonomen Robotern, die selbstständig elektrisch betriebene Fahrzeuge „betanken“ können. 2018 erfolgte die Präsentation des Prototypen eines robotergesteuerten CCS-Schnellladesystems, das erstmals das selbstständige Laden von Fahrzeugen in unterschiedlichen Parkpositionen bewerkstelligte.
Den Artikel aus 2018 finden Sie unter „Der Roboter als „Tankwart“: TU Graz entwickelt robotergesteuertes Schnellladesystem für E-Fahrzeuge“.
Drei Jahre später folgte die Vorstellung einer Weiterentwicklung: Ein voll autonomer, mobiler Laderoboter, der selbstständig zu einem geparkten Fahrzeug navigieren und es aufladen konnte.
Den Artikel aus 2021, inklusive Video vom Tankvorgang, finden Sie unter „Der mobile Roboter, der das E-Auto lädt“.
Das Ziel war damals wie heute das gleiche: Damit die elektrische Mobilität tatsächlich in der Breite ankommt, muss der aufwendige und langwierige Ladevorgang optimiert werden. Roboter sollen dieses Problem lösen und den Ladevorgang ohne Hilfe der Fahrzeugnutzer*innen erledigen können. Wichtige Grundbedingung: Das System soll für alle handelsüblichen Fahrzeuge funktionieren, an denen keine Adaptionen vorgenommen werden müssen.
Weiterer Evolutionsschritt für den Roboter-Tankwart
Seit 2021 haben die Forschenden am Institut für Fahrzeugtechnik einen großen Schritt nach vorne gemacht und den Laderoboter weiterentwickelt. Mit einer zusätzlichen Herausforderung: Das zu ladende Auto ist beim Tankvorgang nicht behilflich, es öffnet also zum Beispiel nicht die Abdeckung der Ladebuchse oder löst Schutzabdeckungen. Das sei in den bisherigen Entwicklungen nicht berücksichtigt worden, erklärt Mario Hirz, der als Professor hinter dem Projekt steht: „Die bisherigen Roboter konnten die Tankklappen oder andere Sicherheitsabdeckungen nicht öffnen. Diese Schritte wurden bisher manuell oder zum Teil vom Auto selbst erledigt. Mit unserer Entwicklung, die mittlerweile zum Patent angemeldet ist, erfolgt der gesamte Prozess für das Laden komplett automatisch durch den Roboter.“
Zu Projektbeginn wurden fünf Autotypen definiert, an denen das System funktionieren sollte: mehrere Fahrzeuge von BMW, ein VW, ein Renault und ein Hyundai. „Die größte Herausforderung war die Bilderkennung“, erzählt Stefan Lippitsch, dessen Dissertation den Entwicklungsschritt möglich machte. Das Ladesystem besteht aus einem Roboterarm auf einer beweglichen Plattform und nutzt ein Kamerasystem zur Objekterkennung. „Das System musste den Autotypen identifizieren, die Tankklappe und allfällige Sicherheitsabdeckungen lokalisieren und betätigen, sowie den Tankstecker perfekt ausrichten.“ Und das ist Feinstarbeit: Die Position des Tankstutzens muss mit einer Genauigkeit von weniger als einem Millimeter und einer maximalen Winkelabweichung von etwa einem halben Grad bestimmt werden, um einen erfolgreichen Ladevorgang zu ermöglichen. In ausführlichen Live-Tests hat das System bestens funktioniert: Das Öffnen der Abdeckungen, der Tankvorgang und das schlussendliche Schließen aller Klappen und Deckel. Neben der Bilderkennung widmete sich Lippitsch der funktionalen Sicherheit des Systems. Er implementierte die für einen sicheren Betrieb notwendigen Maßnahmen und plante regelmäßige Sicherheitsanalysen ein.
Klappe öffnen und Sicherheitsmechanismen berücksichtigen
„Unser aktuelles System ist sehr viel näher am realen Einsatz als alles bisher Dagewesene“, freut sich Mario Hirz. Nun liege der Ball bei den Industrieunternehmen, um das System zur Marktreife zu bringen.
Die Forscher sehen bereits in die wissenschaftliche Zukunft und können sich weitere Projekte am Laderoboter vorstellen: „In diesem Projekt haben wir mit fünf vorab definierten Fahrzeugtypen gearbeitet. Ein weiterer, sehr wichtiger Evolutionsschritt wäre, wenn der Roboter sich selbstständig mit ihm bisher unbekannten Fahrzeugen beschäftigen und die notwendigen Schritte für einen Ladevorgang lernen könnte.“ Dies soll durch den Einsatz künstlicher Intelligenz ermöglicht werden – die nächsten Forschungsthemen dazu sind bereits in Planung.
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Mobility & Production“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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