„Verbrennungsmotoren werden in der öffentlichen Meinung quasi abgeschrieben”, erklärt Helmut Eichlseder mit leger überschlagenen Beinen am Kopfende seines Besprechungstisches in der Grazer Inffeldgasse sitzend. Sein Büro liegt im dritten Stock eines strahlend weißen Neubaues mitten am Campus Inffeldgasse und damit drei Stockwerke über den Motorenprüfständen, für die das Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik unter anderem bekannt ist. Seit 20 Jahren ist der Mann mit den braun-grauen Haarwellen nun Leiter des Instituts und hat den Weg des Instituts in Richtung nachhaltiger Mobilität entscheidend forciert. Heute beschäftigen sich die Forschenden primär mit nachhaltigen Mobilitätsformen, forschen an Brennstoffzellen als Fahrzeugantrieb, Wasserstoff als Brennstoff in Verbrennungsmotoren und E-Fuels als Alternative in herkömmlichen Motoren. Neben der Antriebstechnik, Schadstoff-Emissionen und Umweltauswirkungen von Verkehrssystemen, steht vor allem auch das Thema Thermomanagement und Thermodynamische Systeme im Mittelpunkt. „Bei Kühlschränken beispielsweise ist das jeweilige Optimierungspotenzial nicht mehr sehr hoch. Aber bei der Menge an Kühlgeräten, die es weltweit gibt, schlägt auch eine Verbrauchssenkung von einem Prozent gewaltig zu Buche”, weiß Eichlseder.
Bei Kühlschränken beispielsweise ist das jeweilige Optimierungspotenzial nicht mehr sehr hoch. Aber bei der Menge an Kühlgeräten, die es weltweit gibt, schlägt auch eine Verbrauchssenkung von einem Prozent gewaltig zu Buche.
Drei Wege in eine nachhaltige Mobilitäts-Zukunft
„Langfristig muss das Ziel natürlich sein, nur noch erneuerbare Energien zu verwenden”, weiß Eichlseder und sieht drei mögliche Wege, dies in der Mobilität zu erreichen: Als erste Möglichkeit kann nachhaltig gewonnener Strom direkt in Fahrzeuge eingespeist und umgesetzt werden. „Das ist der effizienteste Weg, aber leider für viele Anwendungen und angebotsseitig aufgrund des Wettereinflusses, des Tag-Nacht-Rhythmus und vor allem des Jahreslaufes nicht kontinuierlich umsetzbar.” Deshalb müsse die Energie in Überschusszeiten gespeichert werden können. Was über Batterien in dem erforderlichen Umfang schlicht nicht machbar ist. „Elektrisch betriebene Fahrzeugen sind im innerstädtischen Bereich eine wunderbare Möglichkeit”, sagt Eichlseder. „Im Schwerverkehr, in der Schifffahrt oder in entlegenen Gebieten mit schlechter Infrastruktur stoßen sie aber an ihre Grenzen.” Hier sieht er vor allem die Vorteile des Wasserstoffes, der via Elektrolyse aus nachhaltig bereitgestellter Energie erzeugt, gasförmig oder flüssig transportiert und anschließend vor Ort in Brennstoffzellen oder Verbrennungsmotoren eingesetzt werden kann. „Ich habe dieses Thema vor 20 Jahren von meinem damaligen Industrie-Arbeitgeber ans Institut mitgebracht.” Ein sichtbares Zeichen dieser Bemühungen ist das 2005 gegründete HyCentA in unmittelbarer Nachbarschaft zum Institut. In diesem ersten und bislang einzigen Wasserstoff-Kompetenzzentrum Österreichs befindet sich die erste österreichische Wasserstofftankstelle und wurde gemeinsam mit dem HyCar das erste Wasserstoff-Fahrzeug entwickelt, das hierzulande eine Straßenzulassung bekam.
Als dritte Möglichkeit gibt es die E-Fuels, die für Eichlseder eine wichtige Ergänzung im Brennstoffmix sind und die er als essentiellen Weg zur Erreichung der Klimaziele ansieht.
E-Fuels könnten bestehende Fahrzeugflotte umweltfreundlich(er) machen
E-Fuels sind nachhaltig erzeugte Brennstoffe, die einfach und vor allem sehr sicher transportiert, in herkömmlichen Verbrennungsmotoren eingesetzt und mit der derzeit bestehenden Tankstellen-Infrastruktur verteilt werden könnten. „Sie sind nicht nur für den Langstrecken- und Schwerverkehr interessant, sondern können vor allem auch die bestehende Fahrzeugflotte rückwärtskompatibel umweltschonender machen”, erklärt Eichlseder. „Selbst wenn wir nämlich 2035 die letzten Verbrennungskraftmotoren erstzulassen, werden in den Jahrzehnten danach noch immer Millionen an fossil betriebenen Fahrzeugen auf der Straße sein.”
E-Fuels sind nicht nur für den Langstrecken- und Schwerverkehr interessant, sondern können vor allem auch die bestehende Fahrzeugflotte rückwärtskompatibel umweltschonender machen
E-Fuels werden gewonnen, wenn der zuvor nachhaltig produzierte Wasserstoff mit CO2 aufbereitet wird. Sie können also nachhaltig produziert werden, sind aber im Motor verwendet nicht vollständig emissionsfrei. „Aber es ist ein wichtiger Schritt, um rückwirkend den Einfluss fossiler Energieträger zu verringern.” Derzeit stehe den E-Fuels vor allem der notwendige Investitionsaufwand für die Produktionsanlagen im Wege - für die Verteilung seien die Kosten schlussendlich überschaubar, weil das bestehende Tankstellennetz genutzt werden könnte. Die derzeitige Gesetzgebung benachteiligt solche Treibstoffe. Die Emissionen werden nur Tank-to-Wheel berücksichtigt - also unabhängig davon, wie der Treibstoff gewonnen wird. Damit ist Strom per Definition emissionsfrei - selbst wenn er mit Kohle erzeugt wird. Und alle Brennstoffe, die in einem Verbrennungsmotor eingesetzt werden, sind per Definition umweltschädlich - wie eben die E-Fuels, erklärt Eichlseder die derzeitige Situation und, warum sowohl die Erdölindustrie, als auch die Fahrzeughersteller wenig Anreiz haben, auf E-Fuels zu setzen.
Am Institut jedenfalls forscht man intensiv daran, welche Adaptionen ein umfassender Einsatz von E-Fuels notwendig machen würde, um faktenbasierte Entscheidungen möglich zu machen. „Es wird sehr viel auf Basis von Ideologie entschieden. Ich würde mir sehr wünschen, wenn wir in diesem Bereich mehr auf Fakten hören und es mehr Technologieoffenheit gäbe. Also für den jeweiligen Anwendungszweck die passende Technologie genutzt werden und nicht dogmatisch ein System forciert werden würde.”
Vom Kleinmotor über Brennstoffzellen bis hin zu Großmotoren können auf den 12 Prüfständen alle Arten von Antrieben getestet werden. © Lunghammer – TU Graz
Emissions-Messungen und Schadstoffausbreitungsmodelle
Seit mehreren Jahrzehnten beschäftigen sich Mitarbeiter des Instituts darüber hinaus mit Emissions-Messungen und Tunnelbelüftungen. Prominentestes Beispiel ist die vor 40 Jahren entwickelte Grazer Methode zur Schadstoffmessung im realen Fahrbetrieb (heute: RDE - Real Drive Emissions). Wo damals noch Abgase eingefangen und für Untersuchungen ins Labor transportiert wurden, nutzen die Forschenden heute ausgeklügelte On-Board-Sensorik in Fahrzeugen. So können die Forschenden ihre Laborergebnisse im Live-Betrieb nachmessen und verifizieren.
Im Bereich der Simulation erstellt ein Team rund um Peter Sturm Schadstoffausbreitungsberechnungen, die besonders belastete Gebiete in Städten aufzeigen oder aber auch für Tunnelbelüftungen äußerst wichtig sind. Und am Institut wurde von Stefan Hausberger eine Simulationsmethode entwickelt, die heute EU-weit Grundlage für die Zertifizierung von LKW ist.
Aus dem Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik sind in seiner langjährigen Geschichte zahlreiche Komptenzzentren hervorgegangen. So beteiligte man sich an der Gründung des Großmotorenforschungszentrums LEC genauso wie am Wasserstoffkompetenzzentrum HyCentA und dem Fahrzeugsimulationszentrum ViF. Mit allen Zentren bestehen diverse gemeinsame Forschungsprojekte und ein reger Austausch an wissenschaftlicher Arbeit und Expertise.
Einmaliges Prüffeld für alle Antriebsarten
Das Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik betreibt derzeit 12 Antriebsprüfstände. Auf ihnen können vom Antriebsaggregat mit einer Brennstoffzelle über einen Verbrennungsmotor bis zum Hybridsystem und von Kleinmotoren in beispielsweise Kettensägen über Antriebssystemen von E-Fahrrädern und Klein-PKW bis hin zu LKW und Großmotoren alle erdenklichen Motorarten getestet werden. „Eine Besonderheit, die so in der europäischen Hochschullandschaft einmalig ist, ist der große Rollenprüfstand, auf dem wir sogar einen ganzen LKW oder Bus testen können”, erzählt Eichlseder mit durchscheinendem Stolz in der Stimme. Dieser Prüfstand, der ein Gebäude weiter angesiedelt ist, wird derzeit aber adaptiert um in Zukunft auch Wasserstoffbetriebene LKW und Busse testen zu können. „Wir sind für alle Mobilitätsformen gerüstet”, erklärt Eichlseder und schneidet sogar erste Ideen für Test an wasserstoffbetriebenen Bahntriebwagen an.
Der große Prüfstand, indem ganze LKWs getestet werden können, wir gerade umgebaut. Bald sollen dort auch wasserstoffbetriebene LKWs und Busse erforscht werden. © Lunghammer – TU Graz
Mit dem Verbrennungsmotor und Brennstoffzellen in eine nachhaltige Zukunft
So arbeiten die Forschenden am Institut für Verbrennungskraftmaschinen und Thermodynamik an einer nachhaltigen Mobilitätszukunft und leisten einen wichtigen Beitrag, um die ambitionierten, aber umso wichtigeren Klimaziele erreichbar zu machen. Gleichzeitig feierte man vergangenes Jahr das 100-Jahr-Jubiläum des Instituts. Wobei coronabedingt eine tatsächliche Feier ausfallen musste, die aber bald nachgeholt werden soll. „Ich habe dieses Jahr auch mein eigenes Jubiläum zu feiern”, lächelt Eichlseder. “Ich bin vor 20 Jahren als Institutsleiter an das Institut zurück gekommen.” Viel zu feiern also am Institut, aber auch umso mehr zu forschen.
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Mobility & Production“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
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