Peter Kunerth (2010), Carlo von Boog: Die Planung des Kaiser Franz Joseph-Landes-Heil- und Pflegeanstalt Mauer-Öhling, Institut für Stadt- und Baugeschichte; 1. Gutachter: Peter Schurz, 2. Gutachter: Karl-Friedrich Gollmann; 195 Seiten, Deutsch.
Die Landesanstalt Mauer-Öhling gilt als die in Niederösterreich bedeutendste Anlage des Jugendstils. Das durch seine funktionell und räumlich ausgewogene Gesamtdisposition bestechende Meisterwerk des frühen Jugendstils wurde nach Entwürfen von Baurat Carlo von Boog in den Jahren 1898 bis 1902 errichtet. Boog als genialer Planer dieser Anlage geriet jedoch, obwohl er auch die entscheidenden Vorarbeiten für die große Pflegeanstalt Am Steinhof in Wien geleistet hat und Mauer-Öhling zum eigentlichen Vorbild für Steinhof wurde, sehr bald in Vergessenheit. Mauer-Öhling war von ihm als streng axialsymmetrische Anlage in einem Pavillonsystem geplant worden. Durch das besonders innovative Konzept galt Mauer-Öhling damals als modernste Anstalt Europas, was im großen internationalen Interesse schon während der Bauzeit zum Ausdruck kam. In Mauer-Öhling wurden nämlich die damals revolutionären medizinischen Behandlungs- und Betreuungsmethoden im psychiatrischen Bereich, wie z.B. das open-door-System in zeitgemäßer Architektur umgesetzt. Boog galt als erklärter Anhänger Otto Wagners und es wurden deshalb viele Gestaltungselemente der frühen Wagner-Schule, sowohl in den Gebäudeproportionen als auch im Detail, wie z. B. durch die Verwendung der vielen floralen oder vegetabilen Dekorformen übernommen. Vor allem Boogs engster Mitarbeiter Erich Gschöpf dürfte das bemerkenswert frühe Aufgreifen des sezessionistischen Formenvokabulars in die Entwürfe eingebracht haben. In die Planung der Anlage von Steinhof sind dann die vielen beim Bau von Mauer-Öhling gewonnenen Erfahrungen, vor allem hinsichtlich des Raumprogramms und der Funktionalität eingeflossen. Das städtebauliche Konzept Boogs, als betont axiale Lösung entsprach eindeutig Wagners Grundprinzipien. Die in Mauer-Öhling praktizierte Betonung der Mittelachse, bestehend aus dem Direktionsgebäude, dem Gesellschaftshaus mit Kapelle und dem Küchengebäude wurde in Steinhof durch Distanzierung der Gebäude und Trennung der Kirche vom Theatergebäude noch verstärkt und Otto Wagner plante dort seine großartige Kirche als Dominante für die Gesamtanlage. Diese Lösung stand allerdings im Gegensatz zu Boogs Entwurf, der für diese Anlage aus ökonomischen und aus funktionalen Gründen eine dem Gelände angepasste nur nahezu symmetrische Anlage vorgeschlagen hatte. Wie überhaupt Boogs Projektsmanagement sehr von der Ökonomie bestimmt war; durch Einführung neuer Techniken, wie z.B. der Verwendung von Beton als Baustoff konnte er große Einsparungen erzielen.