Nicole Alexandra Pruckermayr (2014), Haut als Distanzerfahrung, Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften; 1. Gutachter: Peter Mörtenböck, 2. Gutachterin: Elisabeth von Samsonow, 3. Gutachter: Hans Kupelwieser; 300 Seiten, Deutsch.
Die Haut lässt man nicht so einfach hinter sich. Facettenreich und umfangreich, das organloseste Organ des menschlichen Körpers ist uns nahe und dennoch gedanklich oft vernunftgesteuert weit weg. Manchmal würde man sich eine größere Distanz zur eigenen Haut wünschen oder sie überhaupt am liebsten hinter sich lassen. Diese Dissertation umfasst ausschließlich die Körperhaut und ihre speziellen Qualitäten. Eine Auseinandersetzung mit der Haut ist ohne den Körper und den Raum nicht denkbar. Der Körper, aber auch der Raum hat, gleich wie die Haut, innerhalb der menschlichen Vorstellung darüber, wie man ihn denken soll, eine wechselvolle Geschichte hinter sich und ist noch längst nicht am Ende dieser. Wie die Haut und vor allem der Körper gedacht wurden und werden, ist zentraler Teil dieser Arbeit. Welchen Stellenwert nimmt und nahm die Haut ein? Welche Qualitäten können dabei entdeckt werden, die möglicherweise ein Zusammenleben zwischen Menschen erleichtern oder zumindest zu erklären versuchen? Welches sind die Fähigkeiten, die ihr zugeschrieben werden und wurden? Welche Räume tun sich zwischen Körpern auf und welche Vorstellung über Räume werden dadurch generiert? Welche Distanz- und Naheverhältnisse sind notwendig, um eine unversehrte Haut aufrecht erhalten zu können? Menschsein bedeutet Körpersein und Hautsein, mit all seinen Facetten. Teil dieser Faszination ist auch, sich dem entziehen zu wollen. Eine Distanz aufbauen zu wollen, ist etwas, was sowohl in mythologischen Überlieferungen thematisiert wird, als auch in zeitgenössischen Blockbuster-Horrorfilmen. Keine Haut mehr zu haben sie nicht mehr zu brauchen oder sie intensivierter als herkömmlich, zum Beispiel durch Ganzkörpertätowierungen zu nutzen, ist ein immer wiederkehrendes Element unterschiedlichster Kulturen. Die Haut stellt weiters auch eine Fühl-Hülle dar. All dem Negativen, welches dem Körper widerfährt steht das Erleben der weichen Berührungen und der glücklichen Momente gegenüber, die die Haut erspüren und weitertransportieren kann. Die Nähe, die die Haut auch vermitteln kann und die mit Glücklich-Sein verbunden wird, ist eine der wesentlichsten Eigenschaften der Haut. Hautsein, Fühl-Hülle, Reisesack des Lebens aber auch die wechselnden Sichten auf die Haut drehen sich um den Begriff der Distanz beziehungsweise Nähe, sei es nun in materieller Hinsicht oder als zwischenmenschliche Erfahrung, und spannen dadurch ein Netz auf. Beschäftigt man sich intensiver mit der Haut, so wird recht schnell klar, dass die Haut nahezu in jeder Disziplin anders betrachtet wird, aber auch, dass sie sowohl im naturwissenschaftlichen als auch im kulturwissenschaftlichen Kontext eine wichtige Position innehat. Sie ist uns auch hier nahe, obwohl wenn man beobachten kann, dass gerade in den Kulturwissenschaften erst Anfang der 2000er Jahre eine intensivere Auseinandersetzung mit der Haut begonnen hat und sich auch in den Naturwissenschaften keine stringente Kontinuität zeigt. Diese Auseinandersetzung versucht nun diese zwei, die Haut betreffenden Hauptstränge näher anzusehen: das Naheverhältnis, welches die Haut für Menschen vorwiegend des westlichen Kulturkreises hat und die Verbindungen, die sich auftun, wenn man naturwissenschaftliche und kunst- und kulturwissenschaftliche Erkenntnisse und Studien zusammenführt. Sowohl die Zusammenhänge zwischen Gehirn und Haut, wie man mit Wasser, Licht und Berührung umgeht, als auch wie Zusammenleben in Gemeinschaften aus der Sicht einer einzelnen Person als auch in größeren Zusammenhänge sich ausformulieren kann, werden hier zusammen gebracht, um einen Status quo der Haut und eine zeitgemäßen Sicht auf sie zu erhalten.