Ida Pirstinger (2013), Gründerzeitstadt 2.1 - Die Nachverdichtung von Gründerzeitquartieren - ein Modell zur inneren Stadterweiterung, Institut für Gebäudelehre; 1. Gutachter: Hans Gangoly, 2. Gutachter: Christoph Luchsinger; 265 Seiten + Aufstockungskataster 165 Seiten + 2 Pläne, Deutsch.
Das Einfamilienhaus im Grünen stellt für viele Menschen die am ehesten realisierbare Entsprechung einer idealen Wohnform dar. Mit der Erfüllung dieser Wunschvorstellung geht die fortlaufende Suburbanisierung und Zersiedelung der Landschaften mit allen daraus resultierenden ökologischen, infrastrukturellen und wirtschaftlichen Begleiterscheinungen einher. Dem gegenüber steht ein wachsender Trend zurück in die Stadt und das gleichzeitige Fehlen eines entsprechenden innerstädtischen Wohnungsangebots. Diese komplexen Fragen der Stadt- und Bevölkerungsentwicklung sind volkswirtschaftlich durchaus relevante Aspekte, die zahlreiche wachsende Städte und Ballungsräume belasten. Einem Bekenntnis zur Nachverdichtung städtischer Kernbereiche als Wachstums- und Nachhaltigkeitsstrategie steht jedoch der Wunsch, bestehende Grün- und Erholungsflächen zu erhalten, gegenüber. Die Stadterweiterungsgebiete des 19. Jahrhunderts, die sogenannten Gründerzeitstädte, gelten heute überwiegend als erhaltenswerte, weil lebenswerte urbane Zonen der europäischen Kernstädte. Sie vereinigen durch Durchmischung und kulturelle sowie ökonomische Heterogenität alle erforderlichen, über die rein bauliche Dichte hinausgehenden, Urbanität charakterisierenden Grundvoraussetzungen in sich und schaffen damit Akzeptanz für hohe Einwohnerdichten. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen die Nachverdichtung solcher Blockbebauungen sinnvolles Potenzial für eine innere Stadterweiterung bietet und damit zu einem diversifizierten innerstädtischen Wohnungsangebot beitragen kann, wird am Beispiel der mittelgroßen österreichischen Stadt Graz exemplarisch untersucht. Hier treten die Gründerzeitquartiere weitgehend in Form von geschlossenen Blockrandbebauungen mit unbebauten, begrünten Innenhöfen in Erscheinung und bilden ein Identifikationsmerkmal von hoher Akzeptanz. Der Frage nach verträglicher räumlicher Dichte im urbanen Umfeld und den geeigneten Nachverdichtungsstrategien wird durch den Vergleich mit anderen Städten und die Gegenüberstellung unterschiedlicher Verdichtungsformen im Referenzquartier nachgegangen. Anhand veröffentlichter Untersuchungen zur Wohnzufriedenheit lassen sich Rahmenbedingungen für ein qualitativ hochwertiges urbanes Wohnumfeld im nachverdichteten Quartier ableiten. Grundprinzip muss dabei sein, vorhandene Qualitäten des Ensembles Gründerzeitblock aufzugreifen und trotz Verdichtung zu erhalten bzw. zu verbessern oder aber bei unvermeidlichen Beeinträchtigungen direkten Ausgleich zu schaffen. Dabei steht nicht die Nachbehandlung einzelner Baukörper im Zentrum der Betrachtungen, sondern der gesamte Blockrand als in seiner typologischen Grundstruktur erhaltenswertes städtebauliches Element mit Zukunftspotenzial. Gegenüber der Einzelbetrachtung bietet diese Herangehensweise nicht nur den Vorteil größerer technischer, infrastruktureller und energetischer Synergien, auf diese Weise lässt sich auch dem baukünstlerischen Charakter der stadtbildprägenden Blocktypologie in gestalterischer Weise wesentlich besser gerecht werden. Resultat ist ein Aufstockungsmodell, das ein zusätzliches innerstädtisches Wohnungsangebot als Alternative zum Einfamilienhaus bietet und dabei die Grünräume unangetastet lässt. Die Anwendbarkeit beschränkt sich nicht auf Graz, sondern lässt sich auf jede Stadt mit ähnlichen Blockrandtypologien oder hofbildenden Strukturen übertragen. Das durch blockumspannende Aufstockung erzielbare quantitative Potenzial für Graz wird durch Wertung und Auflistung des Bestandes sowie durch Auswertung exemplarischer Entwürfe ermittelt und liegt als Aufstockungskataster bei.
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