Christoph Walter Solstreif-Pirker (2019), Being-Together-With the World-Without-Us: Performative Investigations Into the Traumatized Planetary Space, Institut für Zeitgenössische Kunst; 1. Gutachterin: Milica Tomić, 2. Gutachter: Henk Slager; 220 Seiten, Englisch.
Das Forschungsfeld dieser Dissertation basiert auf einer Begegnung mit der weiten planetarischen Realität. In einer solchen Bezugnahme wird deutlich, dass dieser Planet nicht als statische Einheit verstanden werden kann, sondern sich von mannigfaltigen Agentien, Kräften und Zuständen stetig durchzogen und verändert sieht. In der Epoche des Anthropozäns zeigt sich in diesen Vielheiten jedoch ein homozentrisch-kolonisierender Gestaltungswille, der hinführt zu einem kontinuierlich prekärer werdenden ökologischen Trauma. Die Dissertation negiert diese Tatsache nicht, sondern proklamiert eine forschende Nähe zu diesem traumatisierten planetarischen Raum, die es ermöglicht, Subjektivitäten und Praktiken in einer Welt-ohne-uns zu hinterfragen.
Mit einer dreigliedrigen Forschungsfrage erschließt die Dissertation die Spezifität des ökologischen Traumas und seiner vielfältigen Dimensionen. Dies ist ein diskursives Zusammensein, das die Intensitäten anthropozäner Räume als Ursprünge alternativer Epistemologien zu verstehen lernt. Die Forschungsfrage untersucht diese komplexen, räumlichen Dimensionen in einem künstlerisch-forschenden Vorgehen, das sich auf methodologischem (wie?), zeitlichem (wann?) und prozessualem (wohin?) Weg vollzieht. Im Prozess des Fragens sowie dem affirmativen Zugehen auf den unbekannten Anderen eröffnet sich so eine topologisch begriffene, inklusive Theorie wechselseitiger Beziehung.
Methodologisch versteht sich die Dissertation als Erweiterung qualitativer Forschungsansätze und bewegt sich hin zu einer praxisbasierten Methodologie. Dabei wird die investigative und performative Begegnung mit dem traumatisierten planetarischen Raum zum eigentlichen Forschungsgegenstand. Basierend auf den Theorien Bergsons, Simondons und Laruelles erlaubt die Methodologie der Dissertation die Bildung eines situierten Forschungsansatzes, der sich in der Zeit ereignet und Praktiken der Individuation, Intuition und Immanenz gleichermaßen vereint. Die Methodologie dieser Dissertation ist nicht länger teleologisch orientiert, sondern vielmehr transduktiv und führt von den traumatisierten ökologischen Schichten hin zu einer Atmosphäre planetarischer Lebendigkeit.
Konzipiert als kumulative Dissertation, sind die Forschungsergebnisse der Dissertation in drei Kapiteln zusammengefasst, die die unmittelbare und künstlerisch-forschende Begegnung mit drei exemplarischen Milieus widerspiegeln. Begriffen als räumliche Verdichtungen innerhalb der anthropozänen Umwelt, sind die Milieus eng mit der kriegerischen Überformung des Planeten verwoben und weisen in ihrer fließenden Maßstäblichkeit auf die Allumfassenheit des ökologischen Traumas. Die Forschungsergebnisse präsentieren die Begegnung mit dem Anderen als dimensionale Ereignisse, in denen sich verknöcherte Identitäten auflösen und hybride Subjektivitäten für ein zusammenwirkendes, sensibles und co-performatives Gemeinwesen entstehen.
Der wissenschaftliche Beitrag der Dissertation beantwortet schließlich die Frage, wie die unmittelbare Begegnung mit drei Milieus anthropozäner Komplexität eine inklusive und räumlich verstandene Wissenspraxis formulieren kann. Die Dissertation versteht sich sowohl als Dokumentation eines künstlerisch-forschenden Prozesses als auch als aktives Werkzeug für die Vermittlung und Anwendung wissenschaftlicher Sensibilität. Die Dissertation schlägt alternative co-poietische Praktiken des Zusammenseins mit posthumanen Diskursen vor, die weniger an einem Sein-zum-Tode orientiert sind als an einem ethisch motivierten, fürsorglichen Sein-zur-Geburt. Dies transformiert die Rolle des/der Forschenden, der/die die Lebendigkeit des untersuchenden Augenblickes forschend erfährt und gleichzeitig bislang unbekannte epistemische Ebenen freilegt. Die Dissertation agiert als Aufruf für ein sich gemeinschaftlich bildendes diskursives Zusammenspiel in Dimensionen (post-)anthropozäner Komplexität.