Das diesjährige Wettbewerbsthema der Herbert Eichholzer Architekturförderungspreise widmete sich unter dem Titel „Stadt, Anger, Fluss: Erinnerungskultur und Zukunft am Grünanger“ der Entwicklung von Konzepten, Strategien und Sichtweisen für eine zukünftige Entwicklung des Grazer Grünangers, einem im historischen Kontext des Zweiten Weltkriegs entstandenes Arbeitslager. Seit den 1960er- Jahren wurde der Grünanger in ein gering dicht bebautes Wohngebiet mit ein- bis zwei- geschoßigen Gebäuden umfunktioniert. Heute befindet sich das Areal in der Nähe des neu gestalteten Naherholungsgebiets am Fluss Mur und ist von dicht bebauten Siedlungs- und Stadtstrukturen umringt.
Vergeben wurden die von der Stadt Graz und der Fakultät für Architektur ausgeschriebenen Preise im Rahmen einer Preisverleihung am 23. November 2023, an der auch Bürgermeisterin Elke Kahr und Stadtrat Günther Riegler mitwirkten. Mit dem Herbert Eichholzer Architekturförderungspreis, der seit 1992 zweijährlich vergeben wird, bringen die Stadt Graz und die Technische Universität Graz ihre tiefe Verbundenheit mit Herbert Eichholzer und seinem Wirken als wichtiger Vertreter der Architekturmoderne der Zwischenkriegszeit und des Widerstands gegen den Nationalsozialismus zum Ausdruck. Ausgerichtet und organisiert wurde die Preisverleihung in diesem Jahr von der Professur für Architektur und Holzbau (IATh).
Das GewinnerInnenprojekt von Klara Schmidt und Siri Dacar konzentriert sich auf das Freilegen der Zeit- und Informationsschichten des Areals und die Sichtbarkeit von Geschichte im Stadtraum. Die diesjährige Jury, bestehend aus Daniel Gethmann (akk, TU Graz), Tom Kaden (IAT, Architektur und Holzbau, TU Graz) und Eva Hierzer (NOW Architektur, Graz), begründeten ihre Entscheidung wie folgt: „Das Projekt überzeugt durch eine klare Vision und Strategie im bewussten Umgang mit der Geschichte des Ortes und seinem Kontext, ohne im klassischen Sinne neu zu bauen. Es zeigt eine Art Prozessperspektive zur Schaffung einer neuen Erinnerungskultur. Eingriffe werden mit Rücksichtnahme auf die bestehende Bewohner- Innenschaft und den Gebäudebestand vorgenommen. Das Projekt positioniert sich klar in seiner Haltung, bietet Stoff zur Diskussion und regt zum Nach- und Weiterdenken an.“
Der zweite Preis des „Eichholzer Architekturförderungspreises“ wurde an Pia Pollak und Fabian Steinberger verliehen. Ihr Projekt motiviert durch mehrere gezielte Interventionen die soziale Interaktion der BewohnerInnen des Wohngebiets. Dort werden bestehende Strukturen genutzt, stellenweise adaptiert und ergänzt. Durch punktuelle Sanierungsmaßnahmen wird das Abtragen bestehender Gebäude verhindert. Der Fokus des Projektes liegt auf der Kommunikation zwischen BewohnerInnen und Umgebung. „Wenige, behutsame Eingriffe wie Marktplatz, Gemeinschaftszentrum und der Erhalt des bestehenden Jugendzentrums,“ so die Jury, „öffnen das Quartier nach außen und fördern die Kommunikation über die Bearbeitungsgrenzen hinaus.“
Das Projekt von Ingo Candussi, Theresa Hammerl und Daniel Lučić wurde im Rahmen der diesjährigen „Eichholzer Architekturförderungspreise“ mit dem Anerkennungspreis ausgezeichnet. Ihr Entwurf sieht trotz einer Verdopplung der Bebauungsdichte einen sensiblen Umgang mit den Außenflächen und Baukörperpositionen vor, um öffentliche Flächen zu erhalten und ruhige, gefasste, semiprivate Bereiche zu generieren. Die BewohnerInnen und deren Partizipation steht neben der geschichtlichen Aufarbeitung im Vordergrund des Projektes. Ein Weg des Erinnerns, der durch das Quartier führen soll, ruft die Geschichte des Ortes sensibel ins Gedächtnis. Die Jury betonte „die behutsame, phasenweise Entwicklung des Quartiers unter Einbeziehung der ansässigen BewohnerInnen“ und das Potential des Entwurfs „für ein heterogenes lebendiges Quartier“.
Text: Annalena Arminger