© Katarina Lovrić/GAM.Lab, TU Graz

Im Rahmen der Grazer Architektur Diplompreise (GAD Awards) werden jährlich die besten Abschlussarbeiten der Fakultät für Architektur aus dem letzten Studienjahr ausgezeichnet.

In diesem Jahr wurde das Rahmenprogramm der feierlichen Preisverleihung der Grazer Architektur Diplompreise durch „Drei Standpunkte der Architektur“ ergänzt. Dabei präsentierten die diesjährigen Jurymitglieder Ulrike Tinnacher, Paul Preissner und Pier Paolo Tamburelli ihren persönlichen Zugang zur Disziplin und sprachen über aktuelle Projekte aus Forschung und Baupraxis. Das Ausstellungskonzept wurde vom Institut für Raumgestaltung unter der Leitung von Alex Lehnerer entwickelt.

Beatrice Raith, Anna-Maria Jäger, Theres Schwaighofer, Theresa Schleinitz, Valentin Moser, Angelika Hinterbrantner, Nera Džanić und Dennis Baumgartner sind die Preisträger*innen der GAD Awards 2023. Die Gewinnerprojekte zeigen, wie der Prozess des Weiterbauens, kooperative Stadtteilentwicklung, eine realpolitische Vision des Wohnens, die Rekultivierung von ländlichem Leerstand, frauengerechtes Wohnen, oder aber das Bauen mit Pappmaché gelingen könnte. Die feierliche Preisverleihung fand am 19. Oktober 2023 im HS I der Alten Technik statt.

1. Preis

Der von der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 16 – Verkehr und Landeshochbau gestiftete erste Preis wurde an Beatrice Raith für ihr Projekt „Die wachsenden Häuser von Wetzelsdorf“ verliehen. Die Masterarbeit, betreut von Alex Lehnerer am Institut für Raumgestaltung, thematisiert das situative Entstehen von Architektur, das Immer-Weiter-Bauen. Dieser Prozess wird anhand von einem Einfamilienhaus im Grazer Stadtbezirk Wetzelsdorf veranschaulicht und in Form von vier Heften, die vier Erzählungen beinhalten, aufbereitet. Die Jury befand das Projekt „in einer tieferen konzeptionellen Weise beeindruckend, weil es etwas programmatisch Großes tat, und zwar durch eine Vielzahl von situativ konstruierten Momenten eines Hauses. Diese Momente sind nicht sequenziell, sondern hätten in beliebiger Reihenfolge ausgeführt werden können, dennoch waren sie additiv, um eine andere Beziehung zum ursprünglichen Haus zu schaffen, und zwar in einer freigeistigen Art, die ein wenig an Aktionskunst erinnert.“ (Paul Preissner)

© Beatrice Raith

2.Preis

Den zweiten Preis der GAD Awards teilten sich Anna-Maria Jäger und Theres Schwaighofer mit dem Projekt von Theresa Schleinitz. Von Aglaée Degros am Institut für Städtebau betreut, beschäftigt sich das Diplomprojekt von Anna-Maria Jäger und Theres Schwaighofer mit dem Thema der chancengerechten und regenerativen Stadt(teil)entwicklung im Kontext des von Zuwanderung geprägten Grazer Stadtbezirks Gries und spezifischer mit der künftigen Entwicklung der 2014 stillgelegten Rösselmühle. Die Arbeit skizziert die Transformation der Mühle hin zu einem gemeinwohlorientierten Projekt, das sich durch eine hohe Nutzungsdichte und vielfältigen Grün- und Freiräumen im Sinne einer gerechteren und gesellschaftlich vielfältigen Stadt auszeichnet. Die Jury würdigte die Auseinandersetzung mit einem „sehr komplexen städtischen Problem aus unterschiedlichen Blickwinkeln“ sowie die „präzisen städtebaulichen und architektonischen Interventionen“. (Pier Paolo Tamburelli)

© Anna-Maria Jäger & Marie-Theres Schwaighofer

Theresa Schleinitz' Masterarbeit, die ebenfalls mit dem 2. Preis ausgezeichnet wurde, entstand am Institut für Gebäudelehre und wurde von Eva Sollgruber betreut. Die Arbeit fordert einen Systemumbau bestehender baulicher und gesellschaftlicher Strukturen, der explizit die Lebensrealität von Frauen* berücksichtigt und eine sichere und leichter zugängliche, diversere Welt für alle Menschen zum Ziel hat. Konkret wird ein Bestandsgebäude zu einem Haus für Frauen* umgestaltet, das als Alternative zu monofunktionalen Wohntypologien, einen Beitrag zur Sichtbarmachung drängender feministischer Forderungen an die Architektur leisten kann. Zitat aus dem Jurystatement: „Das Projekt schafft einen neuen feministischen häuslichen Raum, der nicht monoprogrammiert ist, sondern der in Bezug auf das was in ihm geschieht, abwechslungsreich und vielfältig ist, dabei Teile des Bestandsgebäudes entfernt und umbaut. Es ist sanft und aggressiv zugleich.“ (Paul Preissner)

© Theresa Schleinitz

Hollomey Reisepreis

Der diesjährige Hollomey Reisepreis ging an Valentin Moser, der sich in seiner von Andreas Lechner am Institut für Gebäudelehre betreuten Masterarbeit mit dem Leerstand im ländlichen Raum und dessen Rekultivierung durch Beteiligung regionaler AkteurInnen befasst. „Das Projekt wurde ausgezeichnet, da es sich nicht nur mit dem Leerstand am Land beschäftigt, sondern diesen mit hybriden Nutzungen überlagert und erweitert. Es bildet mit einem mutigen Neubau und einem sensiblen Umgang mit dem Bestand ein bemerkenswertes und vielseitiges Ensemble.“ (Ulrike Tinnacher)

© Valentin Moser

Tschom Wohnbaupreis

Angelika Hinterbrandners Projekt zu Alexander Kleins innovativer Entwurfsmethodik aus den 1930er-Jahren wurde mit dem Tschom Wohnbaupreis ausgezeichnet. Die von Daniel Gethmann am Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften betreute Masterarbeit legt den Grundstein für eine Neuinterpretation der Kleinschen Ansätze eines Neuen Standards im Wohnungsbau durch die sozioökonomische Reflektion der Bedingungen in denen Kleins Ansatz entstand. Laut Jury leistet das Projekt als theoretische und historische Forschung einen wichtigen Beitrag im Bereich des Wohnens, und zeigt, „welches Potenzial in der Wiederentdeckung einiger Erfahrungen der Vergangenheit liegen kann.“ (Pier Paolo Tamburelli)

© Angelika Hinterbrandner

Anerkennung für ressourcenschonende und klimagerechte Architektur

Die von der Kammer der ZiviltechnikerInnen für Steiermark und Kärnten gestiftete Anerkennung für ressourcenschonende und klimagerechte Architektur wurde an Nera Džanićs Projekt „Pappmaché. From Paper to Sustainable Architecture Material“ vergeben. Die am Institut für Architektur und Medien von Milena Stavrić betreute Masterarbeit untersucht die Herstellung eines neuen, papierbasierten Verbundmaterial durch umweltfreundliche und nachhaltige Verfahren, die zu biologisch abbaubaren und wiederverwendbaren Produkten führen. Der entstandene Verbundstoff beweist immenses Potential zu einem ästhetisch und funktional relevanten Teil der Innenraumgestaltung zu werden. „Es ist ein sehr fokussiertes Projekt, das sich im Detail mit dem Produkt Papier und seinem nachhaltigen Einsatz als architektonisches Material beschäftigt. Wir würdigen den experimentellen und unkonventionellen Zugang dieser Arbeit.“ (Ulrike Tinnacher)

© Nera Džanić

Anerkennungspreis

Der Sachpreis in Form eines marokkanischen Teppichs, gestiftet von Gebhart Blazek (Berber Arts), wurde als besondere Anerkennung an Dennis Baumgartner verliehen. Seine Arbeit, betreut von Andreas Lechner am Institut für Gebäudelehre, beschäftigt sich mit der Haunoldmühle im Steyrtal und nimmt den Leerstand durch die Linse der kulturellen Kunstwissenschaft und Denkmalpflege in den Blick. Der Entwurf der typologischen Umnutzung in eine Eventlocation erfolgte laut Jury „in einem freigeistigen Sinne, indem nicht nur der Verfall des historischen Projekts romantisiert wird, sondern völlig neue Objekte innerhalb des Gebäudes produziert werden, die einerseits den Verfalls in seiner Originalität fixieren und andererseits die Ungenauigkeiten der historischen Struktur bewahren.“ (Paul Preissner)

© Dennis Baumgartner

Alle nominierten Diplomprojekte sind hier digital zugänglich.

Jurysitzung

© GAM.Lab, TU Graz

Feierlichkeiten

© GAM.Lab, TU Graz