Fakultätsnachrichten

GAD Awards 19 1. Preis: Helena Eichlinger: "Löcher. Betrachtungen des rheinischen Braunkohletagebaus als Architektur"

© GAM.Lab, TU Graz

03.10.2019

Helena Eichlinger: "Löcher. Betrachtungen des rheinischen Braunkohletagebaus als Architektur"
Betreuer: Daniel Gethmann, Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht eine Untersuchung des rheinischen Braunkohletagebaus und der damit zusammenhängenden Umstände. Die Braunkohleförderung, deren Besonderheit ein weit ausgedehntes Aufgraben des Bodens darstellt, wird als landschaftliches Bauvorhaben im Hinterland aufgefasst. In Zeiten des Strukturwandels werden über den Braunkohleabbau vorrangig politische und wirtschaftliche Diskussionen geführt. In dieser Arbeit hingegen wird versucht, mit der Betrachtung aus architektonischer Perspektive eine andere Sichtweise hinzuzufügen.

Der Begriff des Anthropozäns bildet eine theoretische Grundlage für den Braunkohleabbau, der die Bewegung und Verlagerung großer Massen veranlasst und die Region nachhaltig verändert. Der Landschaftsumbau ist aber nicht nur eine rein technische Herausforderung, sondern auch ein Gestaltungsprozess mit landschaftlichen Ausmaßen. Die Auseinandersetzung mit diesem Phänomen ist in diesem Sinne auch räumlichen Gestaltungsdisziplinen wie der Architektur zuzuordnen. Die Untersuchung im Kontext bildet die Grundlage für neue Wege der Interpretation und Reflexion. So sollen nicht mehr nur der Braunkohleabbau selbst, sondern auch dessen räumliche Resultate („Löcher“) in einen architektonischen Diskurs eingebunden werden können.

In der Analyse liegt der Fokus darauf, die technischen und organisatorischen Abläufe in der Landschaft möglichst vereinfacht darzustellen und auf die jeweils relevanten Fakten zu reduzieren. Die Zusammenführung räumlicher, geschichtlicher, ökologischer und sozialer Aspekte soll einen ganzheitlichen Eindruck des Projektes Braunkohle hinterlassen und zu einer für die Zukunft relevanten Frage hinführen: Wie ist ab dem Zeitpunkt eines unvorhersehbar eintretenden Abbauendes mit den landschaftlichen Relikten des Tagebaus umzugehen?

Bisher stellt die Gestaltung der Tagebaufolgelandschaft ein weiteres Großprojekt dar. Oberflächen werden wiederhergestellt und mit neuen Nutzungen überlagert. Hier wird die Notwendigkeit gesehen, konventionelle Rekultivierungsmethoden kritisch zu hinterfragen. Es wird ein Umdenken im Umgang mit den räumlichen Ausbildungen der Industrie- und Konsumgesellschaft gefordert.
Zum Abschluss der Arbeit wird ein Szenario entwickelt, bei dem die industriellen Tatsachen und ihre Folgen nicht aus dem Blickfeld der Gesellschaft verdrängt, sondern bewusst thematisiert werden.

Jurystatement:

  • Originalität und Radikalität im architektonischen Denken
  • Genauigkeit der Recherche und grafischen Ausarbeitung
  • Reagiert auf ein reales, räumliches Problem, das von der Gesellschaft verdrängt wird.
  • Poetische Qualität im Entwurf

Mehr Informationen zu GAD 19 gibt es hier.