Bildgebende Verfahren ermöglichen es ohne jeglichen invasiven Eingriff Einblicke in die Funktion des Gehirns lebender Menschen zu erhalten. Diese Möglichkeit hat zu einer wahren Revolution in der Gehirnforschung geführt. Beschäftigen sich Versuchspersonen mit einer bestimmten motorischen oder kognitiven Aufgabe, dann werden funktional zugehörige Gehirnareale aktiviert. Durch die funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) können aktive Gehirnregionen identifiziert und räumlich exakt zugeordnet werden. Die fMRT misst jedoch langsame im Sekundenbereich modulierte Stoffwechselprozesse. Dies schließt die Erfassung der Hirnfunktion bei schnellen, dynamischen Prozessen, wie etwa beim Gehen aus. Das Elektroenzephalogramm (EEG) hingegen erfasst die summierte bioelektrische Aktivität des Gehirns an der Kopfoberfläche mit einer zeitliche Auflösung im Millisekunden Bereich; die Ortsauflösung liegt jedoch im Zentimeterbereich. Das EEG ermöglicht daher neuronale Prozesse in Echtzeit zu erfassen, erschwert allerdings eine möglichst exakte Lokalisation kortikaler Aktivität und der dazugehörigen Quellen. Die Ortsauflösung der MRT liegt im Gegensatz dazu im Millimeterbereich und erlaubt auch Aussagen über die Aktivierung tiefer gelegener subkortikaler zerebraler Strukturen. Eine Kombination der Vorteile beider Methoden – der hohen Ortsauflösung der MRT und der hohen Zeitauflösung des EEG – erscheint daher hochgradig erstrebenswert zur Maximierung der Informationsausbeute.
Im Rahmen des HTI Projektes BCI4REHAB (Projekt GZ: A3-22.H-2/2011-49, Mai 2011 - Juni 2012) haben wir bereits erfolgreich eine Methode zur Kombination von EEG und MRT erarbeitet, implementiert und auch an gesunden Personen evaluiert. EEG Quellenrekonstruktion und Independent Component Analysis (ICA) in Kombination mit MRT Bildern und 3-D Modellierung des Kopfes ermöglichen es uns jetzt Gehirnfunktionen in hoher zeitlicher Auflösung mit verbesserter Ortsauflösung zu untersuchen. Aufgrund der Komplexität der Methodik und der Interdisziplinarität des Ansatzes gibt es weltweit nur wenige Gruppen, die dieses Verfahren auch technisch anwenden und einen derartigen Ansatz in weiterer Folge auch in einer klinischen Kohorte testen können. Der Forschungsstandort Steiermark bietet hier einzigartige Bedingungen und das Projektteam gehört zu den weltweit federführenden Gruppen, die sich mit derartigen Fragen beschäftigen.
Das Ziel unserer Forschung ist es, unter Zuhilfenahme des erarbeiteten multimethodalen und interdisziplinären Ansatzes, neue Erkenntnisse sowie ein besseres Verständnis der Gehirnfunktionen und der dazugehörigen Prozesse der motorischen Kontrolle und des motorischen Lernens (mit Schwerpunkt auf das komplexe Verhalten Gehen) zu gewinnen. Wir sind daran interessiert die Gehirnaktivität bei der Durchführung funktioneller Bewegungen mit synergistischer Aktivierung mehrerer Muskeln zu erforschen. Dies kommt den normalen physiologischen Prozessen deutlich näher und verspricht ein umfassenderes Bild der Gehirnfunktion bei komplexen Bewegungsabläufen (wie beim Gehen) um zudem ein verbessertes Verständnis der neurophysiologischen Korrelate erfolgreicher Neurorehabilitation zu erlangen. Der Großteil der Grundlagenforschung auf diesem Gebiet fokussiert sich methodisch-bedingt lediglich auf die Modellierung isolierter Bewegungen einzelner Muskelpaare.
In diesem Projekt soll die Gehirnfunktion von SchlaganfallpatientInnen im Verlauf der motorischen Gangrehabilitation untersucht werden. Unser Ziel liegt in der Förderung des Grundlagenwissens zur motorischen Kontrolle des komplexen Verhaltens Gang und zum motorischen Lernen, das sich assoziiert mit gezielter Neurorehabilitation ereignen dürfte, um letztlich die funktionellen Auswirkungen von Hirnschädigungen durch einen Schlaganfall zu limitieren. Um dies zu erforschen, soll eine Studie durchgeführt werden, in welcher der Verlauf der motorischen Gangrehabilitation während der automatisierten Therapie in der robotischen Gangorthese Lokomat (Hocoma, Volketswil, Schweiz) bei Schlaganfall PatientInnen untersucht wird. Die Gehirnfunktion der TeilnehmerInnen wird dabei mittels EEG während der Gangrehabilitation am Lokomat gemessen. MRT und fMRT Untersuchungen werden vor und nach der Rehabilitation durchgeführt.
Wir haben anhand körperlich gesunder ProbandInnen ein Modell entwickelt, welches das Verhalten aufrechtes, aktives Gehen anhand von EEG Rhythmen beschreibt. Im Rahmen dieses Projektes soll dieses Modell nun um Daten von SchlaganfallpatientInnen erweitert und die Funktion der unterschiedlichen Rhythmen noch gezielter erforscht werden. Zusätzlich soll durch serielle MRT Untersuchungen inklusive fMRT die exakte Lokalisation und die Intensität der durch den Hirninfarkt verursachten Gewebeschädigung, aber auch die Integrität der descendierenden Pyramidenbahn, ein Zusammenhang zwischen zerebraler Funktionsänderung und Strukturänderung sowie mit dem Training assoziierter Änderungen erfasst werden. Dazu werden auch globale und umschriebene Änderungen in der funktionellen Netzwerkarchitektur des Gehirns erfasst (Ruhenetzwerke oder „resting-state networks"). Diese Netzwerke sind auch „aktiv" wenn Personen sich nicht mit einer Aufgabe beschäftigen und daher besonders attraktiv, um paradigmenfrei bei neurologisch beeinträchtigten Personen Hirnfunktionen zu studieren. In Rahmen dieses Projektes sollen Änderungen von „resting-state networks" auch mithilfe des EEGs am Patienten erforscht und Ergebnisse mittels fMRT evaluiert bzw. zu den fMRT Daten korreliert werden.