Von Carolina Lobato, 18.02.2025
Die Domestizierung und intensive Züchtung haben die modernen Kulturpflanzen geprägt. Sie haben den Ertrag und bestimmte Eigenschaften wie Krankheitsresistenz und chemische Zusammensetzung verbessert.
Dieser Prozess hat jedoch auch Auswirkungen auf die Interaktion zwischen Pflanzen und Mikroben.
In unserer jüngsten Studien, die an der Technischen Universität Graz durchgeführt wurde, haben wir untersucht, wie die Domestizierung das Mikrobiom der Cannabissamen geformt hat.
Wir fanden heraus, dass die intensive Züchtung zu einem Verlust der mikrobiellen Vielfalt in den Samen und damit zu einem Verlust potenziell wertvoller Bakterienarten geführt hat. Insbesondere konnten wir ein nützliches Bakterium aus wenig domestizierten Cannabissorten gewinnen und sein Potenzial zur Verbesserung des Pflanzenwachstums nachweisen - was die Bedeutung mikrobiombasierter Strategien für eine nachhaltige Landwirtschaft unterstreicht.
Das Mikrobiom des Saatguts: Ein übersehener Faktor für die Pflanzengesundheit
Während die Bedeutung des Wurzel- und Bodenmikrobioms allgemein bekannt ist, wurde der Frage, wie die Pflanzenzüchtung die mikrobielle Zusammensetzung des Saatguts beeinflusst hat, bisher weit weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Saatgut ist nicht nur ein genetischer Speicher, sondern beherbergt auch komplexe mikrobielle Gemeinschaften, die die Pflanzenentwicklung beeinflussen, indem sie die Nährstoffaufnahme verbessern, das Pflanzenwachstum stimulieren und vor Krankheitserregern schützen. Unter anderem können Samenendophyten - Mikroorganismen, die in den Samen leben - über Pflanzengenerationen weitergegeben werden und die ursprüngliche mikrobielle Landschaft der entstehenden Pflanzen prägen. Da das Saatgut sowohl ein genetisches als auch ein mikrobielles Erbe enthält, bildet es eine wichtige Grundlage für die Etablierung der Pflanze und die mikrobielle Besiedlung.
In unserer Forschung analysierten wir die Bakteriengemeinschaften von 46 Cannabissorten, von traditionellen Landrassen bis hin zu modernen Kultursorten. Die Ergebnisse zeigten ein klares Muster: Mit zunehmender Züchtungsintensität nahm die mikrobielle Vielfalt ab. Landrassen beherbergten ein vielfältigeres Mikrobiom, während Inzuchtlinien eine homogenisierte Zusammensetzung aufwiesen, die von weniger Bakterientaxa dominiert wurde. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Züchtung unbeabsichtigt zum Verlust von Mikroben geführt haben könnte, die einst eine entscheidende Rolle für die Pflanzengesundheit und Stressresistenz spielten.
Wiedereinführung eines verlorenen nützlichen Bakteriums
Eine der bemerkenswertesten Entdeckungen in unserer Studie war die Identifizierung von Bacillus frigoritolerans C1141, einer Bakterienart, die stark mit niedrig domestizierten Cannabissorten assoziiert ist und in modernen Kultursorten weitgehend fehlt. Die Sequenzierung des gesamten Genoms ergab, dass dieses Bakterium Gene besitzt, die mit der Förderung des Pflanzenwachstums verbunden sind, einschließlich der Produktion von Phytohormonen, der Nährstoffsolubilisierung und der Stressresistenz.
Um das Potenzial dieses Bakteriums zu testen, haben wir B. frigoritolerans C1141 sowohl in kontrollierten als auch in Freilandversuchen erneut in Cannabispflanzen eingeführt. Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Die behandelten Pflanzen wuchsen 43 % höher, verdoppelten fast ihren Stängeldurchmesser und produzierten die dreifache Biomasse im Vergleich zu unbehandelten Pflanzen. Diese Wirkungen übertrafen die von Serratia plymuthica, einem bekannten pflanzenfreundlichen Bakterium, und zeigen, wie wichtig es ist, die verloren gegangene mikrobielle Vielfalt wiederzuentdecken und nutzbar zu machen.
Auswirkungen auf die nachhaltige Landwirtschaft
Unsere Ergebnisse unterstreichen die entscheidende Rolle des Mikrobioms von Saatgut für die Fitness von Pflanzen und machen deutlich, dass Züchtungsprogramme die Erhaltung des Mikrobioms berücksichtigen müssen. Anstatt sich ausschließlich auf synthetische Düngemittel und Pestizide zu verlassen, könnte die Integration nützlicher Mikroben in landwirtschaftliche Systeme die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen verbessern und gleichzeitig den Einsatz von Chemikalien reduzieren.
Obwohl sich diese Studie auf Cannabis konzentrierte, wurden ähnliche mikrobielle Veränderungen auch bei anderen domestizierten Nutzpflanzen beobachtet, was auf breitere Auswirkungen für die globale Landwirtschaft schließen lässt. Zukünftige Forschungen sollten untersuchen, wie Strategien zur Wiederherstellung des Mikrobioms bei verschiedenen Pflanzenarten angewendet werden können, um eine nachhaltige und widerstandsfähige Landwirtschaft zu fördern. Indem wir Saatgut sowohl als genetisches als auch als mikrobielles Reservoir anerkennen, können wir Züchtungsstrategien neu überdenken und das volle Potenzial der Wechselwirkungen zwischen Pflanzen und Mikroben nutzen. Dieser Ansatz bietet einen vielversprechenden Weg zu ökologisch gesunden und produktiven landwirtschaftlichen Systemen, in denen nützliche Mikroben eine ebenso wichtige Rolle spielen wie die Pflanzen selbst.