DAS REGENERATIVE STÄDTCHEN
Ein alternativer Masterplan für Kriaritsi
Auf der Halbinsel Sithonia in Griechenland leben zur Zeit ca. 11.500 EinwohnerInnen. Die Bevölkerungsdichte, die sich ergibt, ist mit ca. 22,5 Personen pro Quadratkilometer sehr gering.1 Die Region Kriaritsi war über Jahrhunderte der Natur überlassen und bestand aus einem großflächigen Nadelbaumwald, der sich bis hin zur Küste und den Stränden ausbreitete. Die Artenvielfalt und Biodiversität war ähnlich wie auf der gesamten Halbinsel, auf der mehrere Naturschutzgebiete bestehen, gegeben.2 Das besondere Charaktermerkmal von Kriaritsi war und ist, dass es einen Lebensraum für zahlreiche wilde Schafe bietet. Auch die Namensgebung des Ortes entstand umgangssprachlich durch die BewohnerInnen der umliegenden Dörfer und wurde abgeleitet von dem Tier Κριάρι (Kriari) = Bock/Widder. Kriaritsi war Ende der 1970er Jahre von mehreren Waldbränden betroffen, die einen großen Teil der natürlichen Landschaft zerstört haben. In Folge wurde das Gebiet als Bauland gewidmet.
Das Areal erweckte bereits 1978 das Interesse dreier Genossenschaften, die 1981 den Vertrag zu dem gemeinschaftlichen Kauf von Kriaritsi unterzeichneten. Der Architekt Ioannis Dragkos wurde für den Entwurf eines Masterplans für Kriaritsi beauftragt. Die Vision des Projekts war es, einen Ferienort für Nordgriechenland zu entwickeln. Nach fast 15 Jahren wurde Anfang der 1990er die Errichtung der neuen Stadt bewilligt. Mit einer Gesamtfläche von 1.324,4 Hektar und über 3.000 Grundstücken würde Kriaritsi somit zur größten Stadt, nicht nur der Halbinsel, sondern auch der gesamten Region Chalkidiki werden.3 Bis heute gilt es als das größte Bauvorhaben von Nordgriechenland und wird von dem Unternehmen Grekodom Development durchgeführt.
Die Planung dieses Zentrums war für die Mehrheit der BewohnerInnen der umliegenden Dörfer ein positiver Ausblick, angesichts der fehlenden Infrastruktur-Einrichtungen der Umgebung. Es wäre ein hoher ökonomischer Mehrwert entstanden, der die lokale Wirtschaft gestärkt hätte. Auch das soziale Umfeld hätte von dem Projekt profitieren können, da es Platz für alltägliche Aktivitäten geschaffen hätte.
Nachdem das gesamte Straßennetzwerk, die Gehwege, die Kanalisation, die Strom- und die Wasserversorgung errichtet wurden, gab es 2008 einen unerwarteten Baustopp. Trotz der fertiggestellten Infrastruktur fehlten noch die Baugenehmigungen der Häuser. Das zuständige Amt stellte die Genehmigungen aus Umweltschutz-Gründen nicht aus. Zusätzlich wurde die Grenzlinie zwischen Bau- und Waldgebiet in Frage gestellt.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt besteht das Gebiet fast ausschließlich aus einem Labyrinth von Straßen und wird nicht ohne Grund als Geister-Stadt bezeichnet.
Bis zum jetzigen Zeitpunkt besteht das Gebiet fast ausschließlich aus einem Labyrinth von Straßen und wird nicht ohne Grund als Geister-Stadt bezeichnet.
Die vorliegende Masterarbeit wird sich mit dem Bestand auseinandersetzen und das Bauvorhaben der Genossenschaft kritisch betrachten. Es wird die Notwendigkeit eines Projekts dieser Größe hinterfragt, aber auch die Gestaltung eines Masterplans, der überwiegend aus Einfamilienhäusern mit Garten besteht und sich über eine enorme Fläche ausbreitet. Die großen Distanzen, die von den BewohnerInnen im Alltag bewältigt werden müssen und das Konzept des motorisierten Verkehrs als wesentlicher Bestandteil der Planung, widersprechen den aktuellen Klimazielen der EU für 2030. Fragwürdig ist ein Plan auch, wenn dieser aus dem Wohlstand der Gesellschaft und dem hohen Raumanspruch der Menschen resultiert und durch den ein massiver Eingriff in die Landschaft vorgenommen wird.
Nachdem in den letzten Jahren vereinzelte Ferienhäuser in Kriaritsi gebaut wurden, wird ein einheitlicher Plan benötigt, um eine klare Strukturierung zu erzielen und eine unkontrollierte Ausbreitung zu vermeiden. In Folge wird ein Gegenvorschlag mit der bestehenden Infrastruktur ausgearbeitet und eine enorme Verdichtung des Gebiets forciert.
In dem alternativen Masterplan wird berücksichtigt, dass der Tourismus seit Jahrzehnten die Region beeinflusst. Allerdings fehlt es an Einkaufsmöglichkeiten, ärztlicher Versorgung, Kultur- und Freizeitangebot usw., wodurch den BewohnerInnen der Halbinsel sehr viele Umstände und weite Fahrwege im Alltag zugemutet werden. Ziel ist es, eine Siedlung zu schaffen, die nicht nur Vorteile für die BewohnerInnen der Halbinsel schafft, sondern auch naturverbunden bleibt und den Standort wertschätzt. Das ungenutzte Potenzial des Standortes liegt in der freien Landschaft und der darauf basierenden hohen Lebensqualität, die geschaffen werden kann. Der Kontakt zur Natur ist essenziell für die menschliche Existenz und trägt wesentlich zur Gesundheit und dem Wohlbefinden der Bevölkerung bei. Ein Umdenken des Tourismus in Richtung Gesundheitsbewusstsein ist eine Antwortmöglichkeit, die ausgeschöpft werden sollte. Mein Ansatz ist es, eine gesunde, therapeutische Umgebung zu schaffen, die Zufriedenheit und Wohlbefinden fördert und bewusst und nachhaltig mit der Natur umgeht.
Das antike Heilzentrum von Epidaurus und die alternativen Heilmethoden, die dort stattgefunden haben, werden in dieser Arbeit genauer betrachtet. Diese bestehen hauptsächlich aus den Relationen verschiedener Faktoren mit der menschlichen Gesundheit. So zum Beispiel die Beziehung der Menschen zur Natur oder zu ihrem sozialen Umfeld. Auch die gebaute Umgebung spielt eine zentrale Rolle, da die Architektur viele unserer Gewohnheiten vorgibt. Das Konzept von Epidaurus als Heilzentrum setzt einen hohen Standard, der erzielt werden sollte und dient als Inspiration für den städtebaulichen Entwurf. Am Beispiel der kroatischen Insel Lošinj als beliebtes Gesundheitsreiseziel, werden die positiven Aspekte des Klimas, der natürlichen Landschaft und des Meeres erläutert.
Die Umweltzerstörung und der Klimawandel sind fundamentale Themengebiete in der Stadtplanung. Das Bewusstsein für das Wohlbefinden des Menschen und der Gesellschaft, in Relation zu der natürlichen Umwelt, verstärkt sich ebenfalls im Diskurs.
Die Frage, die sich nun stellt: ist die nachhaltige Stadt auch die gesunde Stadt? Und ist ein therapeutisches Umfeld nachhaltig?