Masterarbeit Anna-Maria Jäger & Marie-Theres Schwaighofer: Modellprojekt Rösselmühle

Modellprojekt Rösselmühle

Prinzipien für eine chancengerechte und regenerative Stadt(teil)entwicklung im Gries

Die Masterarbeit „Modellprojekt R.sselmühle“ beschäftigt sich mit dem Thema der chancengerechten und regenerativen Stadt(teil)entwicklung im Kontext des von Zuwanderung geprägten Grazer Stadtbezirks Gries. In zentraler Lage im Bezirk befindet sich die 2014 stillgelegte Rösselmühle. Die Frage nach der künftigen Entwicklung des ehemaligen Industriedenkmals bildet den Ausgangspunkt – hier sollen Stadt- und Lebensräume entstehen, die der Vielfalt unserer Gesellschaft entsprechen. Die vorliegende Arbeit untersucht die architektonische, städtebauliche und gesellschaftliche Relevanz der R.sselmühle und stellt fest, dass die Zukunft des Ortes im Sinne einer gerecht(er)en Stadt mit den Stadtbewohner: innen verhandelt werden muss.

Die Tatsache, dass Boden unvermehrbar ist, lässt bezahlbare Wohn-, Lebens- und Arbeitsräume knapper werden und bringt einen zunehmenden Verdrängungsdruck besonders für finanzschwächerer Bevölkerungsgruppen mit sich. Mit der begrenzten Verfügbarkeit von Boden, liegt der Stadtplanung „das Problem der Knappheit“ zugrunde, welches die Vorstellung, wie wir als Gesellschaft zusammenleben sollen ebenso prägt, wie die Gestaltung unserer Lebensräume.1 Ein anderes Verständnis von Knappheit, über das negative Verständnis hinaus, eröffnet ein lebendiges Potential – das des Verhandelns. Die Arbeit setzt sich daher mit der Frage nach einer akteur- und prozessorientierten Planungskultur auseinander. In der Analyse von sechs Referenzprojekten zeigt sich, dass eine kooperative, prozessorientiere Gestaltung wesentliche Vorteile mit sich bringt, es dafür aber einer Weiterentwicklung der Planungsinstrumente bedarf. Alternative Planungsinstrumente schaffen Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Projekten, die von hoher architektonischer, urbaner Qualität zeugen und einen gesellschaftlichen Mehrwert leisten. So sind die gezeigten Referenzprojekte zentrale, zugängliche, adaptierbare und aneignungsoffene Orte, die den sozialen Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft fördern.

Die Neuprogrammierung der Rösselmühle eröffnet die Möglichkeit den Prozess einer kooperativen Stadt(teil)entwicklung in Graz zu erproben. Denn die Zukunft der Mühle ist seit ihrer Stilllegung ein viel diskutierter Gegenstand in der Grazer Stadtentwicklung. Als erstes stellt sich die Frage der Umwidmung des zentral gelegen Industriegebietes in Bauland, an welche die Frage um den Erhalt oder den Abriss des ehemaligen Mühlengeb.udes anschließt. Es zeigt sich, dass die verschieden Ideen der Beteiligten zur Zukunft der Mühle von deren (teils widersprüchlichen) Bedürfnissen, Ansprüchen und Perspektiven geprägt sind. So sind Nutzungskonflikte vorprogrammiert, die jedoch nicht nur negativ angesehen werden sollten. Denn produktiv genutzt, bieten Konflikte die Chance für Experimente und die Möglichkeit Neues zu erproben.2 Die Arbeit skizziert mit dem architektonischen und städtebaulichen Entwurf des „Modellprojekt R.sselmühle“ die Transformation der Mühle hin zu einem gemeinwohlorientierten Projekt, das sich durch eine hohe Nutzungsdichte – Raum für Wohnen, Kleingewerbe, Kultur und Soziales – und vielfältigen Grünund Freiräumen auszeichnet. Das Modellprojekt soll als Motor für die Verstetigung des Gemeinwohls im Gries dienen. Daher werden aus dem Projekt Gestaltungsprinzipien, Strategieplan und Prozessplan für eine chancengerechte und regenerative Stadtteilentwicklung abgeleitet. Sie definieren Gestaltungsspielräume, legen Leitziele fest und skizzieren so den Stadtteil Gries als Ort der gesellschaftlichen Vielfalt. Denn „Zusammenleben ist Mehrwert. Baukultur ist Mehrwert. Stadt ist Mehrwert.“