4. Ingenieurpraktisches Zahlenbeispiel

Kragträger mit starrer Einspannung

Der Unterschied zum vorherigen Beispiel ist, dass hier an der Einspannstelle die Verwölbung gesperrt ist. Das Torsionsmoment wird hier nun zum Teil auch über die Wölbkrafttorsion abgetragen. Anmerkung: Der Kastenquerschnitt B wird hier nicht weiter verfolgt, da der Wölbkrafttorsionsanteil nur in einem kurzen Bereich um die Einspannstelle bedeutsam ist. In der Praxis wird dieser Anteil meist vernachlässigt. Es erfolgt eine ingenieurmäßige Betrachtung der beiden Grenzfälle:
  • alleinige Lastabtragung über St. Venant´sche Torsion (Fall 1). Die Ergebnisse entsprechen jenen des bereits dargestellten Kragträgers mit Gabellagerung.
  • alleinige Lastabtragung über Wölbkrafttorsion (Fall 2). Dies wird im Folgenden gezeigt.
Abschliessend wird die genaue Lösung angeführt (Interaktion St. Venant´sche Torsion und Wölbkrafttorsion). 

Frage c): Ergebnisvergleich der Grenzfälle

  • Fall 1: nur St. Venant´sche Torsion (Mxp = Mx), vG = 3.5 cm, τmax = 11.8 kN/cm2, s = 0
  • Fall 2: nur Wölbkrafttorsion (Mxs = Mx), vG = 3.0 cm, τmax = 0.78 kN/cm2, s = 31.3 kN/cm2
Der Wert vG stellt die Horizontalverformung der Kragspitze dar. Die angegebenen Spannungen gelten an der Einspannstelle 2. Da die Verformungen der isoierten Betrachtung ähnlich sind, sollte in diesem Fall eine genaue Berechnung erfolgen (konservative Näherung: Fall 2, Wölbkrafttorsion alleine).

Ergebnisse der genaueren Betrachtung

Die Aufteilung des Torsionsmomentes Mx in St. Venant´schen und Wölbkraftanteil zeigt das nachfolgende Bild. Nur die Schubspannungen jedes Querschnitts sind aus den Einzelfällen (Fall 1, Fall 2) direkt errechenbar, da die Schubspannungsresultanten mit den Torsionsmomentenanteilen im Gleichgewicht sind. am Einspannquerschnitt: Mxs = Mx, daher sind die Schubspannungen ident zu Fall 2 Achtung: Die Normalspannungen infolge Wölbkrafttorsion können jedoch nicht aus den Torsionsmomentenanteilen abgeleitet werden. z.B. am Einspannquerschnitt: obwohl Mxs = Mx, ergibt sich σmax = 18.0 < σmax = 31.3 kN/cm2 aus Fall 2 Horizontalverschiebung des Obergurtes an der Kragarmspitze (Querschnitt 1) vG = 1.49 cm, zum Vergleich: vG = 3.5 cm aus Fall 1 (St. Venant´sche Torsion alleine), vG = 3.0 cm aus Fall 2 (Wölbkrafttorsion alleine) Beurteilung der Gesamtergebnisse: Beim Zusammenwirken von St. Venant´scher und Wölbkrafttorsion sind die Verformungen kleiner als bei den beiden Grenzfallbetrachtungen. Die errechneten Spannungen liegen zwischen den beiden Grenzfällen.