Die Entwicklung der Physik im neuen Gebäude

Nachteilig in der Forschung hatte sich vor allen bei den beiden experimentellen Instituten der Raummangel ausgewirkt. Dies änderte sich schlagartig mit der Fertigstellung des Physikgebäudes 1977. Es vergingen allerdings zunächst noch ein paar Jahre bis sich die Institute eingerichtet hatten, vor allem wegen der nur langsam eintreffenden Dotationen für die innere Einrichtung der Räume.
Der Zeitabschnitt von 1977 bis heute ist gekennzeichnet durch eine außerordentliche Zunahme der Forschungsaktivitäten vor allem auch in der Breite. Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, wollte man auf alle Forschungsaktivitäten der 4 Physikinstitute genauer eingehen. Sie sind im Anschluß an diesen Text kurz aufgelistet. Da sich die Gesamtanzahl der Publikationen aller Institute in der Eile nicht genügend genau erfassen lässt, sei die Anzahl der Habilitationen, die über eines der 4 Physikinstitute seit dem Jahr 1975 eingereicht wurden, als Maßzahl für das Anwachsen der Forschungsaktivitäten genommen. Sie beträgt 28! Zählt man alle Habilitationen in Physik, die in den mehr als hundert Jahren davor an der Technischen Hochschule Graz stattgefunden haben, zusammen, so kommt man bestenfalls auf 5.
Die hinzugekommenen Habilitierten haben sich hinsichtlich einer Verbreiterung des Lehrangebots in den Pflichtfächern und an Spezialvorlesungen für das Physikstudium sehr günstig ausgewirkt. Mehrere von ihnen haben auch völlig neue Forschungsrichtungen aufgegriffen und dadurch die Physik an der Technischen Universität Graz enorm bereichert. Es ist hier leider nicht möglich, näher darauf einzugehen.
Nachstehend wird nur noch kurz über einige personelle und strukturelle Veränderungen innerhalb des Zeitabschnitts seit der Fertigstellung des Physikgebäudes berichtet.
Nach dem Ausscheiden von Professor Krautz (1976) war die Fachgruppe Physik der Meinung, dass dem enormen Aufschwung der Festkörperphysik und insbesondere der Halbleitertechnik durch Installation einer derartigen Forschungsrichtung Rechnung getragen werden sollte. Es wurde daher in der Nachfolge mit Professor Hartmut Kahlert, der von der Universität Wien kam, ein Festkörperphysiker berufen und das Institut entsprechend umbenannt. Er hält bis heute alle Kursvorlesungen auf dem Gebiet der Festkörperphysik und speziell auch Vorlesungen über Physik und Technik der Halbleiter. Das Institut ist insbesondere auf den Gebieten der leitenden Polymere und der Oberflächenphysik sehr aktiv, was in einer besonders großen Anzahl von Publikationen auf diesen Gebieten zum Ausdruck kommt.
Nach dem Ausscheiden von Professor Breitenhuber im Jahr 1994 wurde dem Institut für Kernphysik vom Ministerium nahegelegt, für die Nachbesetzung einen Materialphysiker vorzusehen und das Institut entsprechend umzubenennen. Das Letztere gelang zunächst zufolge von Einsprüchen innerhalb der Hochschule nicht. So wurde vorübergehend der widerspruchslose Titel "Institut für Technische Physik" gewählt. Der Titel "Institut für Materialphysik" konnte erst vor kurzer Zeit durchgesetzt werden. Im Zusammenhang mit Schwierigkeiten dieser Art verzögerte sich auch die Nachbesetzung der Stelle Professor Breitenhubers. Im Jahre 2000 gelang dies dann doch. Berufen wurde Professor Roland Würschum. Er kam von der Universität Stuttgart und hat als spezielles, heute sehr modernes Forschungsgebiet die nanostrukturierten Materialien. Dementsprechend hat sich auch der Lehrbereich dieses Instituts erweitert um: Physikalische Grundlagen der Materialphysik, Nanostrukturen und Nanotechnologie, Funktionswerkstoffe sowie Physik moderner Technik. Als weitere Erneuerung für dieses Institut kam es dann im Jahre 2001 noch zu Transferierung der Abteilung Strahlenphysik des Instituts für Theoretische Physik (in gewisser Weise identisch mit dem früheren Reaktorinstitut) zum Institut für Materialphysik, an dem schon bisher auf einschlägigen Gebieten wie Nukleare Festkörperphysik, Strahlenphysik und Strahlenschutz gearbeitet worden war. Mit transferiert wurden auch das bisher an der Abteilung Strahlenphysik beheimatete Elektronik-Praktikum der Physikstudenten und die damit gekoppelten Vorlesungsverpflichtungen.
Die Nachbesetzung der Stelle von Professor Ledinegg verzögerte sich aus verschiedenen, z.T. sehr bedauerlichen Gründen um nahezu 18 Jahre. Da es an diesem Institut schon mehrere Habilitierte gab, von denen einige in der Zwischenzeit Professorenstellen erhielten, wirkte sich dies in der Lehre nicht sehr schwerwiegend aus. Erst im Jahre 1998 konnte die genannte Stelle mit Wolfgang Von der Linden wiederbesetzt werden. Er war davor an einem Forschungsinstitut in Garching tätig und brachte das am Institut für Theoretische Physik gewünschte Forschungsgebiet Vielteilchenphysik, wodurch die Breite der an diesem Institut bearbeiteten Forschungsgebiete eine wertvolle Ergänzung fand. Vor etwa 2 Jahren wurde mit Enrico Arrigoni noch ein zweiter Professor mit dem Arbeitsgebiet Vielteilchenphysik an diesem Institut eingestellt.
Beim Institut für Experimentalphysik fand bald nach dem Umzug in das neue Gebäude eine starke Verbreiterung der Forschungsaktivitäten in Richtung verschiedenster Gebiete statt. Dabei wurden in Zusammenarbeit mit Industriefirmen auch Probleme der angewandten Physik, vor allem auf dem Gebiet der Plasmadiagnostik und Plasmaprozeßtechnik bearbeitet. Aus der nachstehenden Zusammenstellung der Forschungsgebiete ist etwas mehr darüber zu entnehmen.
Im Jahre 1999 emeritierte der Vorstand dieses Instituts, der Autor dieses Artikels, bestritt aber die Grundvorlesung aus Experimentalphysik weiter bis zum Amtsantritt seines Nachfolgers Wolfgang Ernst zu Ende des Jahres 2001. Ernst war bis dahin Fullprofessor an der Pennsylvania State University in den USA und brachte zwei sehr moderne Forschungsgebiete nach Graz: Untersuchungen über das Verhalten von Atomen und Molekülen in superfluiden Helium-Nanotröpfchen und die Atomstrahlmikroskopie.
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