Mirror, Mirror on the Curtain Wall. Magische Bauteile, gesteigerte Gefühlswelten und das Material Einwegspiegelglas

Jakob Bock

Betreuung:
Univ.-Prof. Mag.phil. Dr.phil.
Anselm Wagner
Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften
2024
Link zur Diplomarbeit

 

Ein Gebäude, das Aufmerksamkeit erregt, erregt oft auch Gemüter – oder andersherum? Auf jeden Fall scheint klar zu sein, dass ein fesselnder Blick kein Zufall ist. Diese Tradition lässt sich nicht nur an kanonischen Beispielen der Architektur ablesen, sondern auch – und vielleicht am anschaulichsten – an der verzweigten Geschichte eines Baumaterials: Einwegspiegelglas. Kurz nach seiner Einführung in die Architektur wurde dieses Funktionsglas vor allem durch die slicken Bürotürme der 1970er- und 1980er-Jahre und ihre spiegelnden Fassaden bekannt. Heute steht das Einwegspiegelglas wieder im Rampenlicht. Seit Anfang der 2000er-Jahre wird es vor allem in zeitgenössischen Kulturbauten verwendet, darunter einige der bekanntesten Signature Buildings. Viele dieser Gebäude dominieren auch die sozialen Medien aufgrund der visuell beeindruckenden Inszenierung einer erhabenen Architektur.

Die umfangreiche architektonische Geschichte des Materials spiegelt sich jedoch nicht in seiner Behandlung in der Literatur wider. Es ist aber auch die eigentümliche Wirkung des Spiegels – oft als „magisch“ oder gar „unheimlich“ beschrieben –, die uns zu einer genaueren Betrachtung anregt. Das wirft Fragen auf: Wann und wo ist das Einwegspiegelglas entstanden? Welchen Einfluss hat es auf die Architektur und unsere Wahrnehmung von damals bis heute? Die These ist, dass das bereits um die Jahrhundertwende in der Unterhaltungs- und Werbeindustrie etablierte Einwegspiegelglas ab Mitte des 20. Jahrhunderts in der Architektur die Bautypologie der Lichtarchitektur prägte, die bis heute eine eigentümliche, fetischhafte Wirkung auf ihre Rezipient*innen ausübt.