News+Stories: Vielfach sind Warnungen zu lesen, dass ein großflächiger Blackout überfällig ist. Wann kommt die große Finsternis in Österreich?
Robert Schürhuber: Da muss ich jetzt auf die Uhr schauen... (lacht).
Herwig Renner: Natürlich kann man es nie ausschließen, aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass es bald zu einem großen Blackout kommen wird. Es kann immer etwas Unvorhergesehenes passieren – aber diese Gefahr bestand auch vor zehn Jahren schon. Die Umstände haben sich seither nicht verändert. Und wenn oft zu lesen ist, dass wir „gerade noch Mal davongekommen sind“, dann kann ich nur sagen: Es gab deshalb keinen Blackout, weil die gut geplanten Maßnahmen für Problemfälle wunderbar funktioniert haben. Genauso, wie sie es eben sollten.
Es gab deshalb keinen Blackout, weil die gut geplanten Maßnahmen für Problemfälle wunderbar funktioniert haben. Genauso, wie sie es eben sollten.
News+Stories: Warum ist ein Blackout unwahrscheinlich?
Renner: Wegen unserer gut geplanten Schutzmaßnahmen. Natürlich ist der Netzbetrieb vor allem durch die erneuerbaren Energiequellen komplexer geworden. Aber wir haben auch neue Werkzeuge bekommen. Prognosen etwa zur Wind- und Sonnenenergie sind mittlerweile sehr präzise. Und wir haben bessere Regeln, wie sich Wind- und Photovoltaikanlagen in Problemfällen verhalten müssen. Darüber hinaus ist die grenzüberschreitende Kommunikation gestiegen – das haben die Netzbetreiber aus dem großen Stromausfall in Italien 2003 gelernt. Damals sind kaskadenartig mehrere wichtige Leitungen ausgefallen und Italien war plötzlich vom Rest Europas energietechnisch getrennt. Der Stromausfall dauerte rund 15 Stunden. Heute informieren sich die Netzbetreiber viel intensiver gegenseitig, was passiert. Ich würde also sagen, dass das Risiko in etwa gleich geblieben ist in den vergangenen Jahren.
Natürlich ist der Netzbetrieb vor allem durch die erneuerbaren Energiequellen komplexer geworden. Aber wir haben auch neue Werkzeuge bekommen.
News+Stories: Welche Szenarien halten sie für besonders gefährlich?
Renner: Da gibt es viele Möglichkeiten. Für mich ist es immer noch dieses: Ein sehr harter Winter, der ganz Europa trifft. Viele Menschen müssen heizen. Gerade in Frankreich gibt es nach wie vor viele Stromheizungen. Frankreich ist aber auch einer der wichtigsten Strom-Exporteure. So stünde weniger Strom für den Export zur Verfügung, weil der Eigenbedarf so hoch ist. Wenn dann noch viele Wolken die Ausbeute der Photovoltaikanlagen verringern und etwa ein Sturm eine Leitung zerstört, dann könnte es sehr knapp werden. Im Gegenzug wäre aber auch ein sehr heißer Sommer ein Problem. Viele Klimaanlagen, die Ausbeute in Dampfkraftwerken sinkt,...
Schürhuber: …auch Waldbrände in Gebieten, durch die wichtige Leitungen verlaufen, werden ein immer größeres Problem. Und dann gibt es ja auch menschliches Versagen, falsche Reaktionen auf Probleme... die Möglichkeiten, die zu einem Blackout führen könnten, sind vielfältig.
News+Stories: Ist Hacking ein Problem geworden?
Schürhuber: Die Netzbetreiber nehmen dieses Thema sehr ernst und erarbeiten Notfallszenarien. Derzeit sind uns noch keine solche Zwischenfälle bekannt.
News+Stories: Die Stabilität der Stromnetze ist zentral für deren Sicherheit. Wie ist es in Österreich darum bestellt?
Schürhuber: Stromnetze müssen von Gesetz her so geplant und betrieben werden, dass Einzelfehler kein Problem darstellen und sie solche Szenarien verkraften können. Problematisch wird es, wenn mehrere Fehler auf einmal auftreten und die Grundlast im Netz ohnehin schon sehr hoch ist. Das wird von den Netzbetreibern auch sehr ernst genommen. Die Struktur unserer Netze ist in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts geplant worden. Damals war die Erzeugungsstruktur eine völlig andere. Heute haben wir eine sehr hohe Produktion durch Kleinkraftwerke, die erneuerbare Energieträger nutzen. Das macht einerseits absolut Sinn. Andererseits sind aber unsere Netze nicht dafür geplant worden. Deshalb muss bei jedem Nachrüsten, bei jedem Neubau auch unbedingt die zur Verfügung stehende Leitungsstruktur für den Abtransport des Stroms mitbedacht werden. Gerade sieht man das sehr schön bei dem neu zu bauenden Kraftwerk in Salzburg – da wird eine große Lücke im Österreichischen Netz geschlossen. Und natürlich ist auch ein Teil unserer Infrastruktur schlicht am Ende seiner Lebensdauer – viele Leitungen wurden in den 50er- oder 60er-Jahren gebaut und müssten nun erneuert werden. Das muss klug geplant werden. Jede nicht zur Verfügung stehende Leitung belastet das restliche Netz. Ich kann mit gutem Gewissen sagen: Wer heute ein Energietechnik-Studium beginnt, hat in den nächsten 20 bis 30 Jahren genug Arbeit (lacht).
Im Normalfall sollte der Strom nach acht bis 15 Stunden wieder fließen. Wenn das nicht der Fall ist, dann muss schon etwas sehr Grobes passiert sein.
News+Stories: Sind Sie selbst auf einen Blackout vorbereitet?
Schürhuber: Ich habe zumindest ein Radio, dass ohne Netzanschluss läuft, und kann mich mit dem Fahrrad gut fortbewegen. Im Normalfall sollte der Strom nach acht bis 15 Stunden wieder fließen. Wenn das nicht der Fall ist, dann muss schon etwas sehr Grobes passiert sein.
Renner: Ich wohne am Land, habe einen Holzofen, einen Bach in der Nähe und ein Fahrrad. Als Forschende dürfen wir auch immer wieder öffentliche Institutionen oder Unternehmen begleiten, die Notstromkonzepte erstellen. Gerade eben arbeiten wir zum Beispiel an einem Notstromkonzept für die Wasser- und Abwasserversorgung in Graz, das auf den Murkraftwerken als „Notstromgeneratoren“ basiert. Unter anderem soll die Kläranlage mit Notstrom versorgt werden.
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