Die Biokatalyse setzt Enzyme ein um chemische Reaktionen herbeizuführen. Vielfach ersetzt diese „sanfte Chemie“ dabei die Verwendung giftiger Reagenzien oder Lösungsmittel in bereits bestehenden Synthesen. Eine große Herausforderung für die Biokatalyse ist es jedoch, dieses elegante Konzept auf völlig neuartige chemische Reaktionen zu übertragen, die für Enzyme aus der Natur unbekannt sind. Ein solch neues Design gelang nun einem Forschenden-Team an der TU Graz rund um Rolf Breinbauer, Leiter des Instituts für Organische Chemie, und Kathrin Heckenbichler, die diese Forschungsarbeit im Rahmen ihrer Dissertation am Institut für Organische Chemie der TU Graz betrieb. Breinbauer erklärt: „Es ist uns erstmals gelungen, ein Enzym so zu manipulieren, dass es statt seiner natürlichen Funktion nun eine unnatürliche, aber synthetisch noch viel interessantere Funktion erfüllt. Statt nämlich im katalytischen Prozess Doppelbindungen zu reduzieren, baut das Enzym nun Molekülgerüste in Form von kleinen Ringen auf. Durch den Austausch von nur einer Aminosäure im aktiven Zentrum des Enzyms gelang es uns, die natürliche Reaktion zu unterdrücken um einen neuen Reaktionsverlauf zu ermöglichen.“
Das Team rund um Heckenbichler und Breinbauer konnte erstmals mittels Biokatalyse sogenannte Cyclopropane erzeugen, das sind kleinstmögliche ringförmige organische Moleküle in der geometrischen Form eines Triangels. Solche Ringsysteme, auch Dreiringe genannt, kommen nicht nur in vielen Biomolekülen vor, sie sind auch ein wichtiges Strukturelement in Pflanzenschutzmitteln oder Pharmazeutika wie Antibabypillen, Asthma- oder AIDS-Medikamenten. Die Arbeit wurde in der aktuellen Ausgabe von Angewandte Chemie veröffentlicht.
Die gute und die böse „Hand“ der Moleküle
Parallel gelang es den Forschenden auch, die Chiralität des erzeugten Moleküls zu beherrschen, was gerade bei der Herstellung von Medikamenten von großer Bedeutung ist. Chiralität oder auch „Händigkeit“ von Molekülen beschreibt die Tatsache, dass zwei Moleküle aus denselben Atomen, aber spiegelverkehrt aufgebaut sein können – gleich der rechten und der linken Hand. Von diesen sogenannten Enantiomeren kann eine Variante nützlich und die andere schädlich sein und es wird in der Herstellung von Medikamenten heute großer Wert darauf gelegt, nur die kurative Variante einzusetzen. So stellt man sicher, dass Medikamente sehr spezifisch wirken und durch den „chiralen Zwilling“ keine ungewollten Nebenwirkungen entstehen. Kathrin Heckenbichler erläutert Prozess und Ergebnis der biokatalytischen Umsetzung des Substrats: „Um eine optimale chirale Erkennung zwischen dem Enzym und Substrat zu ermöglichen, designten wir ein Substrat mit einem großen Rest. Dadurch gelang es uns, die räumlichen Bedingungen im aktiven Zentrum des Enzymes ideal auszunützen, um ein Cyclopropan in hoher Enantiomerenreinheit herzustellen.“ Den Forschenden gelang es so, von zwei möglichen chiralen Dreiringen nur das erwünschte Enantiomer herzustellen.
TU Graz als internationales Zentrum der Biokatalyse-Forschung
Im Bereich der Biokatalyse-Forschung zählt die TU Graz zur Weltspitze und stellt dies mit dem vorgelegten Forschungsergebnis erneut unter Beweis. Dem Forschenden-Team der TU Graz gelang eine bedeutsame Erweiterung des biokatalytischen Repertoires, die die Türe zu diversen Anwendungen insbesondere in der „sanften“ Produktion neuer Medikamente oder der kostengünstigen Herstellung von Generika, Duftstoffen oder Pflanzenschutzmitteln aufstößt. Ziel der sogenannten grünen Chemie, der die Biokatalyse zuzurechnen ist, ist es, milde und umweltverträgliche Reagenzien einzusetzen, Umweltverschmutzung einzudämmen und Energie und Kosten zu sparen. Die Forschungsarbeit von Kathrin Heckenbichler wurde anfänglich vom acib – Austrian Centre of Industrial Biotechnology anschubfinanziert und vom österreichischen Wissenschaftsfonds FWF unterstützt. Im Verbund von NAWI Graz, der naturwissenschaftlichen interuniversitären Kooperation der TU Graz mit der Karl-Franzens-Universität Graz, waren an der Forschungsarbeit zudem Peter Macheroux, Leiter des Instituts für Biochemie der TU Graz sowie Karl Gruber vom Institut für Molekulare Biowissenschaften der Uni Graz beteiligt.
Dieses Forschungsprojekt ist im Field of Expertise „Human & Biotechnology“ verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz. Beteiligte Forschende sind Mitglieder von NAWI Graz.